Tagebuch eines Liebesterroristen

Emmanuel Boves "Winterjournal"

Von Aline WillekeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Aline Willeke

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Und je mehr ich sie beherrschte, je mehr ich sie in Angst versetzte, desto stärker fühlte ich eine tiefe Befriedigung. Ich empfand das Bedürfnis, aus ihr eine Sklavin zu machen, ein Geschöpf, das nicht mehr die geringste Persönlichkeit hätte."

Das ist keine Liebe, das ist Terror. Doch trotz dieser Erkenntnis ändert sich nichts an Louis' erfolgreich zerstörter und reichlich gestörter Beziehung. Seine Tagebuchaufzeichnungen, die eine zerbrechende Ehe dokumentieren, lesen sich zäh und zermürbend.

Louis führt Buch: Minutiös seziert er das Wesen seiner Ehefrau, die er offen hasst und insgeheim anbetet. Ihre schlechten Angewohnheiten, ihre Naivität und Oberflächlichkeit beschreibt er mit Genugtuung. Es scheint, als suche er Gründe für den Hass, der die Beziehung vergiftet und der in Wirklichkeit nur projizierter Selbsthass ist. Liebe zeigt er nicht, auch nicht seine Bewunderung. Einzig seine Eifersucht lässt auf Liebe in transformierter Form schließen.

Am Anfang fühlen wir uns noch solidarisch mit dem Ehemann, in dessen Intimleben wir lesen dürfen, belächeln mit ihm das kindische Benehmen seiner Frau Madeleine und ihre leicht durchschaubare Einfachheit. Doch schon bald entpuppt sich Louis als selbstgefälliger Unsympath, als bemitleidenswerter Fiesling, der sich erst geliebt fühlt, wenn seine Partnerin seinetwegen leidet und verletzt ist. Zwanghaft provoziert er immer wieder Liebesbeweise.

Emmanuel Bove lässt uns mit den Beobachtungen und Bewertungen des Ich- Erzählers allein, gewährt uns keinen Abstand und gönnt uns keine Verschnaufpause. Louis' vermeintlich sichere Urteilsfähigkeit erscheint zweifelhaft. Die konsequent ungefilterte Präsentation seiner Analysen und Reflexionen, die ohne jede Konsequenz für sein Verhalten bleiben, ist fast genau so anstrengend wie die dargestellte Beziehung. Doch gerade dies macht den Reiz dieses Romans aus und intensiviert das Leseerlebnis.

"Journal, geschrieben im Winter" frustriert und weckt mit Sicherheit keine Frühlingsgefühle. Doch wer etwas für die detailgetreue Offenbarung einer abgründigen Beziehungen übrig hat, die von krankhafter Eifersucht über subtile Machtspiele bis zu seelischer Grausamkeit alles zu bieten hat, wer deren langsames qualvolles Scheitern mitverfolgen will, der wird auf seine Kosten kommen.

Titelbild

Emmanuel Bove: Journal, geschrieben im Winter. Roman.
Edition Epoca, Zürich 1998.
213 Seiten, 20,20 EUR.
ISBN-10: 3905513102

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