Das Große und Ganze

Über Song Kiwons neuen Erzählband "Menschenduft"

Von Heiko SeibtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heiko Seibt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In Song Kiwons neuem Erzählband "Menschenduft" erinnert sich der Schriftsteller Daeun, ein Alter Ego des Autors, in einem Zyklus von Geschichten an seine Kindheit in der koreanischen Provinz und an die Menschen, deren Schicksale er in seinem Heimatdorf miterlebt hat. Durch Begebenheiten in der Gegenwart wird die Hauptfigur mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. So erkennt Daeun, dass seine früheren Begegnungen und Erlebnisse noch heute seine Existenz bestimmen.

Die letzte Erzählung dieses Bandes handelt vom Aufeinandertreffen Daeuns mit seiner sterbenden Schwester Yangsun. In den Gesprächen mit ihr erfährt der Schriftsteller Einiges über seine eigene Person, und er kommt zu dem Schluss, dass er den Menschen seiner Kindheit und Jugend heute noch einmal begegnen müsse, um jedem von ihnen eine neue Bedeutung zu geben.

Der preisgekrönte koreanische Autor erschafft mit seinem Protagonisten Daeun nun eine Figur, die durch das Nachsinnen über Menschen und Erfahrungen aus der Vergangenheit zum eigenen Frieden findet und der es schließlich gelingt, sich mit ihrer Herkunft und dem in der Jugend Erlebten auszusöhnen. Der Held begreift, dass die Menschen seiner Vergangenheit mit ihren Eigenheiten und Geschichten eng mit ihm verknüpft sind, dass sich das Große und Ganze aus all seinen gelebten Episoden zusammensetzt.

Mit seinen Erzählungen zeichnet Kiwon ein teilweise drastisches Bild vom Leben in der koreanischen Provinz, das gleichsam von Armut und dem Entdecken und Erhalten der eigenen Würde geprägt ist, ein Bild, das dem Leser zeitweise fremd erscheinen mag. Die Figuren und ihre Schicksale jedoch wirken stets vertraut.


Titelbild

Kiwon Song: Menschenduft. Erzählung.
Übersetzt aus dem Koreanischen von Minki Jeong, Harald Gärber, Stefan Straub.
Pendragon Verlag, Bielefeld 2006.
227 Seiten, 18,50 EUR.
ISBN-10: 3865320384

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