Entkirchlichte Transzendenz - Andrea Neuhaus untersucht die Rolle des geistlichen Liedes in der Jugendbewegung

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was faszinierte moderne Großstadt-Jugendliche der vorletzten Jahrhundertwende ausgerechnet an geistlichen Liedern? Fromm und kirchentreu waren die Anhänger der Wandervogelbewegung nicht. Auf Erlösung hofften sie dennoch: von Entfremdung, Fortschritt und einer Zersplitterung der Lebenswelten. Die Jugendbewegung war Teil der antimodernen Opposition innerhalb der bürgerlichen Kultur. Die Modernitätskrise korrelierte mit einer Suche nach neuen religiösen Ausdrucksformen, einer "vagierenden Religiosität" (Thomas Nipperdey). So entdeckte die entkirchlichte bürgerliche Jugend Spuren der Transzendenz in der Natur, aber auch im Erbe der Vergangenheit: Alte geistliche Volkslieder, gotische Bauwerke sowie Texte mittelalterlicher Mystiker wurden zu Wegmarken auf der Suche nach einem modernen Heilsziel. Religiöse und ästhetische Erfahrung waren dabei miteinander verschränkt. Unter diesen Vorzeichen wird die Rezeption geistlicher Lieder in der Jugendbewegung aus literarhistorischer Perspektive untersucht.

A. N.

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Titelbild

Andrea Neuhaus: Das geistliche Lied in der Jugendbewegung. Zur literarischen Sakralität um 1900.
Francke Verlag, Tübingen 2005.
233 Seiten, 59,00 EUR.
ISBN-10: 377208074X

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