"Wer nicht liest, ist doof."

Bücher über das Verlegen von Büchern

Von Thomas AnzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Anz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer eine erste praxisorientierte Einführung in die Organisation und in die Arbeitsabläufe eines Buchverlags sucht, dem kann man Hans-Helmut Röhrings 1983 erschienenes Arbeitshandbuch "Wie ein Buch entsteht" immer noch empfehlen. Es informiert leicht verständlich und vielfach auch in Form praktischer Ratschläge vor allem über die Lektoratsarbeit. Was ein angehender Lektor über die Herstellung, die Kalkulation, den Verkauf und Vertrieb, die Pressearbeit, die Werbung, das Verlags- und Urheberrecht, das Lizenzgeschäft und über die "Programmpolitik" wissen sollte, erfährt er darüber hinaus in eigenen Kapiteln.

Autor und Verlag sind offensichtlich bemüht, mit den rasanten Entwicklungen auf dem Buchmarkt Schritt zu halten. Röhrings Buch wird laufend aktualisiert. Zur Zeit liegt es in der sechsten, überarbeiteten Auflage von 1997 vor. Was da allerdings beispielsweise über die Verlagsarbeit am PC ausgeführt wird, entspricht eher dem Stand der achtziger als dem der neunziger Jahre. Die neueren Debatten zur Buchpreisbindung sind ebenso wenig berücksichtigt wie die Entwicklungen im Bereich des elektronischen Publizierens, das "Publishing on demand" oder der Internet-Buchhandel.

Das gilt auch für das ebenfalls zum Standardwerk avancierte Buch von Eduard Schönstedt. Es erschien erstmals 1991 und liegt jetzt in einer zweiten, korrigierten, doch kaum veränderten Auflage vor. Dass der Verlag eine Neubearbeitung durch den Autor nicht abwarten wollte, sondern das Buch statt dessen als broschierte Studienausgabe anbietet, ist allerdings zu begrüßen. So ist es auch für Studierende erschwinglich. Verglichen mit Röhrings Einführung genügt der "Schönstedt" eher fortgeschrittenen, akademischen Ansprüchen. Schon was hier auf den ersten fünfzig Seiten über die Geschichte und gegenwärtige Situation des Verlagswesens ausgeführt ist, geht über die knappen Hinweise von Röhring weit hinaus. Das Buch ist auch sonst, terminologisch und intellektuell, ungleich ambitionierter. Der Autor ist Professor für Verlagswesen an der Hochschule für Druck und Medien in Stuttgart. Sein Buch ist vor allem wirtschaftswissenschaftlich orientiert. Die Bereiche des Verlagsmarketings, die Distributions-, die Kommunikations-, die Preis- und die Produktpolitik, nehmen einen gewichtigen Raum ein. Das Buch ist jedoch so geschrieben, dass auch Kulturwissenschaftler mit buchwissenschaftlichen Interessen keine Verständnisprobleme haben.

Dass Schönstedts Buch erklärtermaßen "nicht dem geistig-ideellen Aspekt, sondern der 'Ware' Buch" gewidmet ist, dass es zeigt, "wie Verleger wirtschaftlich handeln müssen, um ihre kulturelle Aufgabe erfüllen zu können", wird auch Kulturwissenschaftler heute kaum noch irritieren. Die Zeiten, in denen die Rede vom 'Buch als Ware' noch mit kapitalismuskritischer Empörung verbunden war, sind lange vorbei. Vergleicht man das legendäre Kursbuch 15 von 1968 mit dem Kursbuch 133, das dreißig Jahre später, im September 1998, zum Thema "Das Buch" erschien, so stellt man fest: An die Stelle der Kapitalismuskritiker sind jetzt die Marketingspezialisten getreten. Helmut Dähne, kaufmännischer Geschäftsführer der Rowohlt-Verlage, dem Alter nach ein Angehöriger der 68er Generation, gibt hier unter dem Titel "Das Buch als Ware" eine kurzgefasste Einführung in das Verlagsmarketing. Veit Heinichen, einst Werbeleiter des S. Fischer Verlags, später kaufmännischer Geschäftsführer des Berlin Verlages, konstatiert in seinem Beitrag: "Marketing war in der Buchbranche lange Zeit ein Begriff, den man mit spitzen Fingern anfaßte, obgleich Verlage seit jeher alle Instrumente des Marketings zum Teil virtuos gespielt und sie in großer Selbstverständlichkeit eingesetzt haben." In Zeiten zunehmenden Konkurrenzdrucks werde das Marketing inzwischen wie ein magischer, Rettung verheißender Zauber beschworen, obwohl sein Anteil an großen Bucherfolgen kaum zu bestimmen sei.

Heinichen selbst glaubt an diesen Zauber und gibt den Kursbuch-Lesern ein paar Warnungen vor unwirksamen und Tips für erfolgreiche "Pull"- und "Push-Strategien" mit auf den Weg. Mit diesen und etlichen anderen erhellenden Beiträgen nimmt sich das Kursbuch zum Buch wie eine Werbeschrift für einen ganzen Wirtschaftszweig aus. Wo dies lesenswerten Büchern zugute kommt, lassen wir uns das gerne gefallen. Ein werbewirksames Motto liefert der Buchbranche gleich zu Beginn Elke Heidenreich mit dem Titel ihrer Glosse: "Wer nicht liest ist doof."

Titelbild

Hans-Helmut Röhring: Wie ein Buch entsteht. Einführung in den modernen Buchverlag.
Primus Verlag, Darmstadt 1997.
228 Seiten, 18,40 EUR.
ISBN-10: 3896783017

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Karl Markus Michel / Ingrid Karsunke / Tilmann Spengler: Kursbuch Das Buch.
Begründet von Hans Magnus Enzensberger.
Rowohlt Verlag, Berlin 1998.
208 Seiten, 9,20 EUR.
ISBN-10: 3871341339

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Eduard Schönstedt: Der Buchverlag. Geschichte, Aufbau, Wirtschaftsprinzipien, Kalkulation und Marketing.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 1999.
282 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3476016919

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