Warum ward ich kein Mann?

Eine Sonderausgabe der Werke Karoline von Günderrodes

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eine Neuauflage einer Günderode-Edition zu ihrem 225. Geburtstag ist eine lobenswerte Sache, zumal sie bei dem Verlag Stroemfeld / Roter Stern (1991) seit einiger Zeit vergriffen war. Die dreibändige Stromfeld-Ausgabe wurde als Sonderedition wieder aufgelegt und ist in einer kartonierten dreibändigen und in der hier besprochenen einbändigen Fassung erhältlich. Letztere enthält den Textteil der kritischen Edition und ist in diesem Sinne als eine reine Leseausgabe zu verstehen. Zwar ist es nicht immer ganz einfach, die Günderrode ohne Kommentar und Anhang zu lesen, aber eine Freude ist es trotzdem.

Karoline von Günderrode wurde am 11. Februar 1780 in Karlsruhe geboren, Tochter eines Hofrats und angesehenen Bürgers, der sich unter anderem auch mit der Produktion von Gessner-ähnlichen Texten beschäftigte. Nach dem Tod des Vaters verbringt Karoline ihre Jugend in einem Damenstift in Frankfurt. 1799 lernte sie Friedrich Carl von Savigny, später die Brentanos kennen und war stark beeinflusst von der Brentano'schen Märchenwelt. Die Kontakte zu Savigny und Brentano führten zu engeren Beziehungen zum Jenaer Kreis der Frühromantiker, vor allem zu Novalis. Ihre teilweise dramatische Liebesbeziehung zu dem verheirateten Friedrich Creuzer zog, als dieser sich nach langem Zögern wieder für seine Frau entschied, den Freitod Karolines nach sich.

Literarisch war sie stark beeindruckt von der Lektüre Schillers und den literarischen Vorbildern der Romantiker - was sich in ihren Werken niederschlug. Diese hatte sie erstmals 1804 unter dem Pseudonym Tian veröffentlicht, ein Jahr später erschienen ihre "Poetischen Fragmente". Christa Wolf lässt Karoline in "Kein Ort. Nirgends" ihr poetisches Bekenntnis formulieren: "Wo ich zu Hause bin, gibt es die Liebe nur um den Preis des Todes. Und ich staune, daß diese offenbare Wahrheit niemand außer mir zu kennen scheint, und dass ich sie, wie Diebsgut, in den Zeilen meiner Gedichte verstecken muß. Wer den Mut hätte, die wörtlich zu nehmen, sie mit natürlicher Stimme zu sprechen, wie eine andre Bekanntmachung auch. Sie würden das Fürchten lernen."

Genau dies erwartet den Leser in dem vorliegenden Band - kraftvolle, romantische Poesie, irgendwo zwischen Liebe und Tod. Wenn man bei der Lektüre der Texte Erklärungen vermisst, dann sei neben dem Kommentar der dreibändigen Ausgabe immer noch Christa Wolfs "Kein Ort. Nirgends" empfohlen. Und vielleicht beschreibt die Günderrode ihre eigenen Tragik und gleichzeitig den Quell der Dramatik ihres Schicksals im Doppelsinn der Worte, die sie in einem Brief an die Freundin Gunda Brentano richtet: "Warum ward ich kein Mann! Ich habe keinen Sinn für weibliche Tugenden, für Weiberglückseligkeit. Nur das Wilde, Große, Glänzende gefällt mir." Man zögere nicht mit der Lektüre!


Titelbild

Karoline von Günderrode: Sämtliche Werke. Textausgabe.
Herausgegeben von Walter Morgenthaler.
Stroemfeld Verlag, Frankfurt a. M. 2006.
488 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-10: 387877964X

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