Gipfelbekränztes Frauenland

Florence Hervé und Katharina Mayer legen einen imposanten Band über Frauen und Berge vor

Von Mechthilde VahsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mechthilde Vahsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dass das Meer weiblich konnotiert ist und Wasser als weibliches Element gilt, hat eine lange Tradition. Anders ist es mit den Bergen. Da herrschen die männlichen Kletterer, Alphirten sind männlich, auf den entlegensten Hütten leben Hüttenwirte. Unwirtliche Gegenden, die Frauen nicht gefallen, in die Frauen nicht hinein gehören. Weit gefehlt, denn auch diese Landschaften sind von Frauen bevölkert, wenn man bei den einsamen Gegenden, die in dem neuen Porträt-Foto-Buch des bewährten Teams Florence Hervé und Katharina Mayer beeindruckend in Wort und Bild gebracht wurden, überhaupt von 'bevölkert' sprechen kann. Denn nach der Lektüre der 16 Biografien ist klar, dass Berge vor allem eines bedeuten: Alleinsein, raue Landschaft, weiter Blick, Stille. Das muss frau aushalten können, wenn sie wie zum Beispiel Isabelle Genest Schäferin im Jura ist oder wie Fatima Amaudruz Wirtin einer Berghütte. Obwohl es auf den Berghütten nicht ruhig zugeht, sondern sogar sehr stressig sein kann zu Hochtourismuszeiten.

Viele der porträtierten Frauen kommen aus bergigen Gegenden, kennen und lieben die Kargheit der Gipfellandschaften, haben sich bewusst für ein Leben in dieser Abgeschiedenheit entschieden, zum Teil nach vielen Jahren in der Stadt. Es sind vor allem Künstlerinnen, die das besondere Licht suchen, die Ruhe und Einkehr beim Anblick der Alpen. Sie ziehen Kraft und Energie aus der Landschaft, finden Anregung und Inspiration, wie zum Beispiel die Alphornistin Priska Walss oder die Malerin Angela Hampel. Und selbstverständlich gibt es auch die Rebellinnen der Berge, diejenigen Frauen, die sich leidenschaftlich dem Bergsteigen verschrieben haben, Unfälle überlebten, in Todesgefahr schwebten, und sich doch immer wieder dem Berg und seiner Macht stellen, wie es bei Catherine Destivelle der Fall ist. Die Bergsteigerin kann sich ein anderes Leben nicht vorstellen, ebensowenig die Alpinistin Andrée Fauchère oder die Extremskiläuferin Francine Moreillon.

Es ist erstaunlich, welche vielfältigen Lebensentwürfe sich im Zauber der Berge entwickeln, auch wenn das Buch nur einen kleinen Ausschnitt präsentieren kann. Die Texte verbinden sich wie im Vorgängerband 'Frauen und das Meer' auf wunderschöne Weise mit den vielen ganzseitigen Fotos. Am Meer ist man schnell, aber so weit oben in den Bergen - hier sind es die Alpen, das Jura, die Pyrenäen, die Sächsische Schweiz und der Balkan -, das erlebt man nicht oft. Vielleicht auch, weil die Berge als sperrig gelten und sich nicht so schnell erschließen. Um so faszinierender sind die Begegnungen in diesem Buch, das übrigens in deutscher Übersetzung im Modo Verlag erscheint, das Original ist auf Französisch erschienen.


Titelbild

Florence Hervé / Katharina Mayer: Frauen und Berge.
Modo Verlag, Freiburg 2006.
176 Seiten, 39,80 EUR.
ISBN-10: 3937014470

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