Mehr als nur "Emil und die Detektive"

Der Künstler und Gebrauchsgrafiker Walter Trier (1890-1951)

Von Michael GriskoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Michael Grisko

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ausstellungskataloge sind wichtiger denn je. In ihnen kondensieren sich - neben der temporären Ausstellung - in ganz einzigartiger und vor allem zeitüberdauernder, öffentlichkeitswirksamer und forschungsfördernder Weise die zentralen Aufgaben des Museums: Sammeln, Ausstellen und Forschen.

Den Maler und Grafiker Walter Trier kennt wohl fast jeder: jedenfalls seine Illustrationen für Erich Kästners Kinderbücher sind beinahe jedem geläufig. Die ersten Zeichnungen, die Kästners Kinderromane zu Ikonen der deutschen Literatur gemacht haben und als der "Umschlag aller Umschläge" gehandelt werden, entstanden 1929, als der 1890 in Prag geborene Zeichner Walter Trier bereits 12 Jahre arbeitete. Das Cover zu "Emil und die Detektive" und die Illustrationen im Innenteil machten ihn auf einen Schlag berühmt. Die Trier-Expertin Antje Neuner Warthost dokumentiert in dem umfangreich bebilderten, übersichtlich und ansprechend gemachten Katalog das Gesamtwerk des 1936 emigrierten und 1951 gestorbenen Multitalents in allen Werkphasen.

In den Sektionen "Walter Trier für Kinder" und "Walter Trier für Erwachsene" lässt sie chronologisch sein alle Lebensbereiche (Politik, Kunst, Reklame) umfassendes grafisches Werk Revue passieren. Dies schließt auch das unveröffentlichte Werk aus dem Nachlass mit ein. Es ist aber nicht nur eine Lebens- und Werk-Studie Walter Triers mit allen ästhetischen Kontinuitäten und biografischen Brüchen - es ist mehr. Denn mit ihren Recherchen führt uns Neuner-Warthost in die Werk- und Publikationsgeschichte Erich Kästners ein - mit dem Walter Trier einige Kinderbücher sogar in 'Co-Autorenschaft' publizierte - und unternimmt anschließend einen Parforceritt durch die deutsche (und später auch englische und damit europäische) Geschichte und deren Spiegelung in Triers Werk. Hier nehmen die Karrikaturen gegen Nazi-Deutschland einen großen Raum ein.

Immer steht jedoch das Bild im Vordergrund ihrer Argumentationen. Die Autorin nimmt sich selbst erfreulich zurück und versieht die zahlreichen, hervorragend reproduzierten Abbildungen aus allen Werkphasen mit ausführlichen Kommentaren, die die gesellschafts-geschichtlichtlichen, publizistischen und werk-ästhetischen Kontexte herstellen. Trier wird zum Chronist menschlicher Schwächen, ihrer individuellen Besonderheiten und zum Beobachter seiner Zeit.

Auf den ersten Blick eingängig sind auch die variiert-wiederkehrenden Motivwiederholungen aus der Weimarer Republik in der Neuen Welt, die die lokalen und zeitspezifischen Besonderheiten der Gebrauchsgrafik Walter Triers betonen. Der Katalog hat alle Vorzüge eines biografischen und zeitgeschichtlichen Grundlagenwerks, er ist ein Museum in Buchform.


Titelbild

Antje Neuner-Warthorst (Hg.): Walter Trier - Politik, Kunst, Reklame. Ausstellungskatalog der Trier-Retrospektive im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover als Buchausgabe.
Atrium Verlag, Zürich 2006.
236 Seiten, 39,00 EUR.
ISBN-10: 3855359938

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