Eine Expedition in die Heimat des Hawai-Toasts

Eric Hansen erforscht seine Wahlheimat Deutschland

Von Hans Peter RoentgenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hans Peter Roentgen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Der Glaube, man könne seine Identität durch den Konsum von Coca-Cola, Jeans, Popsongs, Hollywoodfilmen und Fastfood von McDonalds verlieren, ist ziemlich deutsch. Wir Amerikaner importieren deutsches Bier, italienische Schuhe, englische Filme und mexikanische Tacos, aber sie bringen unsere Seele nicht in Gefahr. Dafür ist der Teufel zuständig. Sollte jemand prophezeien: ,Nehmt euch in Acht! Bald kommt ein ausländisches Getränk und raubt euch die Seele!' - na ja, bei uns kriegt er damit nicht so schnell die Kirche voll. Nur hierzulande fürchtet man Popkultur mehr als der Teufel das Weihwasser. Der Satz ,Ich wurde amerikanisiert' ist weniger eine Feststellung als vielmehr der Beweis, dass der Sprecher mit Leib und Seele deutsch ist. Kein Amerikaner würde beim Kauf eines BMWs grübeln: ,Oh Gott, werde ich nun germanisiert?' Keine amerikanische Mutter hat ihrem Kind Grimms Märchen verboten, aus Angst, das Kind könne deutsch werden. Ich bin auf Hawai groß geworden und aß als Kind mehr Chow Mein, Sushi und Li Hing Mui als Hamburger. Doch nie hätte ich bezweifelt, dass ich Amerikaner bin."

Er kam als Mormonenmissionar nach Deutschland und blieb, weil es ihm hier gefiel. Mormone ist der Journalist Eric T Hansen mittlerweile keiner mehr, dafür aber Autor deutscher Bücher. Und er kennt seine Wahlheimat, vor allem deren Furcht, ihre Identität zu verlieren, eine Identität, die offenbar so locker in der Hosentasche sitzt wie ein Taschentuch und ebenso leicht verloren gehen kann. Aber anders als deutsche Stammtische - pardon: Feuilletons - schlussfolgert er daraus nicht, dass die Deutschen wieder stolz auf Deutschland sein müssten und lamentiert auch nicht über die Amerikanisierung oder Anglizismen. Im Gegenteil: "Der beste Beweis dafür, dass man noch deutsch ist, ist die Angst, man sei es nicht mehr." Das ist doch beruhigend, oder?

Hansen kann beobachten und er weiß mehr über deutsche Geschichte als die meisten Deutschen. Das nutzt er zu einem vergnüglichen Streifzug durch die deutsche Wirklichkeit. Wer aber der Verlagswerbung glaubt und nur Lustiges erwartet, wird überrascht feststellen, dass sich in dem Buch eine Menge ebenso scharf- wie tiefsinniger Beobachtungen finden. Nur benützt der Autor dafür keine langatmigen Statistiken und wissenschaftlichen Untersuchungen, stattdessen aber einen hellwachen Sinn für Alltagserlebnisse. Er bläst sich und seine Erkenntnisse nicht auf, hütet sich, den Deutschen irgendwelche Ratschläge zu geben, dafür lässt er die Luft aus so manchem Wichtigmacher-Ballon, der zum gleichen Thema die Buchhandlungen und Feuilletons verstopft.

Wenn Sie also glauben, wir Deutsche seien besonders autoritätshörig, sollten Sie dieses Buch nicht lesen. Andererseits wäre es schade. Denn Deutschland kann beispielsweise einige der schönsten Betrüger der Welt aufweisen: Wussten Sie, wer Tile Kolup ist? Hansen kennt die Geschichte dieses Gauners, der als deutscher Kaiser Friedrich II. Hof hielt, Bischöfe empfing und Urkunden ausstellte.

Noch etwas anderes fällt auf. Die Deutschen haben eine Wirtschaft, wollen aber nichts davon wissen. Wussten Sie, wer das Fließband aus den Chicagoer Schlachthöfen in die Industrie übertrug? Nein, nicht Ford, der hat nur sehr viel Wirbel darum gemacht. Es war Hermann Bahlsen, der damit die Keksproduktion revolutionierte. Und während allerorten die ,McDonaldisierung' beklagt wird, zeigt Hansen, dass Deutschland lange vor McDonalds das Fastfood erfunden hat. Der Big Mäc passte sich perfekt in diese Esskultur ein. Andere amerikanische Ketten scheiterten. Während wir auf Teufel komm raus exportieren, tun sich Importeure in Deutschland schwer. Walmart war das letzte, aber beileibe nicht einzige Beispiel dafür, dass es nicht so leicht ist, uns die Identität aus der Tasche zu klauen, wie wir immer glauben.

Es sind auch nicht die Probleme, die die Deutschen einzigartig machen. Die gleichen Probleme finden sich anderswo in weit schlimmeren Ausmaß. Es ist die Liebe und Begeisterung, mit dem wir hierzulande die Probleme gegen unverbesserliche Optimisten verteidigen, meint Hansen. Woraus er folgert, dass Nörgelei in Deutschland eine Kunst sei und diese in E- und U-Nörgelei zerfalle. Als Amerikaner ist Hansen stolz darauf, im Fernsehen den deutschen Nörgel-Q-Test bestanden zu haben.

Ebenso verhält es sich mit der merkwürdigen Angst der Deutschen vor der Popkultur; jeder geht hin, aber alle haben ein schlechtes Gewissen. Und deshalb richten sie vorher ein kleines Stoßgebet an den Gott der Kultur: "Normalerweise mag ich ja anspruchsvolle Filme." Weil Hollywood ja "Kitsch" ist, im Gegensatz zu Goethe und Schiller. Hansen hat alle Parteien zu ihrer Meinung über diese Dichter befragt. Alle sie dafür, von der NPD über CDU, FDP, SPD bis zu Grünen und der Linkspartei. Alle taten sie, als wären die beiden bis vor kurzem Fraktionsmitglieder gewesen. Wir Deutschen lieben unsere Dichter, auch wenn wir sie nur ungern lesen. Allein die Antworten der Parteien rechtfertigten den Kauf dieses Buches.

Hansen kennt die Deutschen und er liebt sie auch - gerade wegen ihrer Besonderheiten, was man in dem Buch auch spürt. Nur eines, das wird er ihnen wohl nie verzeihen. Diese grässliche Fast-Food-Variante erfunden zu haben, die sie obendrein noch nach Hansens Heimat benannten: Den Hawaii - Toast.

So ist dieses Buch eine unterhaltsame Reise durch deutsche Befindlichkeiten geworden, leicht zu lesen, witzig, dabei aber alles andere als seicht. Man muss Hansen nicht in allem beipflichten, bedenkenswert sind seine Ansichten aber schon.


Titelbild

Eric T. Hansen: Planet Germany. Eine Expedition in die Heimat des Hawaii-Toasts.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 2007.
288 Seiten, 12,95 EUR.
ISBN-13: 9783596173242

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