"Keine neue Welt ohne neue Sprache"

Ernst Röhl nimmt die DDR unter die Lupe

Von Waldemar JagodzinskiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Waldemar Jagodzinski

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie erfolgreich Ernst Röhls satirisches Wörterbuch ist, zeigt schon die 10. Auflage seines humoristischen Werks. Wer aber ein wissenschaftlich fundiertes satirisch-satirisches Wörterbuch erwartet, der wird wohl enttäuscht werden. Der Autor hat sich nur auf einen kleinen Teil des deutschen Wortschatzes konzentriert und zwar auf jenen, der für die Zeit der ehemaligen DDR charakteristisch ist.

In alphabetischer Reihenfolge hat Röhl sein kleines Wörterbuch mit subversivem Witz geschrieben. Die präsentierten Worte beziehen sich auf verschiedenste Bereiche des Lebens. Politik, Arbeit, Alltag, Wirtschaft, kein Winkel des Lebens wird ausgelassen. So kann der Leser beispielsweise erfahren, dass das schön klingende Wort "Bedarfslücke" ein Euphemismus für den einfachen, alltäglichen Mangel war, die Abkürzung DFD stand keinesfalls mehr für "Demokratischer Frauenbund Deutschlands", sondern wurde für notwendige Tauschgeschäfte gebraucht - also "Dies Für Das". Manche der Worte und Abkürzungen hat der Autor zusätzlich mit besonderem Witz erklärt, was das unikate Kolorit der DDR-Zeiten hervorragend unterstreicht. So erfahren wir einerseits, dass die Abkürzung HO für staatliche Handelsorganisation stand und andererseits in humoristischer Weise den historischen Hintergrund: "Frage: Was hat der HO-Verkaufsstellenleiter mit einem Astronauten gemeinsam? Antwort: Beide kennen sich aus im leeren Raum...".

Sehr lustig sind die "neuen" DDR-Sprichwörter aus dem letzten Abschnitt der so genannten Vor-Wendezeit, die mit dem Wort "lieber" beginnen. Als Beispiel kann der folgende Joke genannt werden: "Lieber... AIDS als gar nichts aus dem Westen!". Das ist wohl Ost-West Sarkasmus in nicht immer feiner, aber doch den damaligen Zeitgeist treffender Note.

An die damalige politische Situation erinnert Röhl mit Hilfe von gesammelten Parolen, die den Zeitraum von 1949 bis 1982 umfassen sowie anhand von Slogans, die an verschiedensten Orten zu finden waren (am Knast stand zum Beispiel: "Heraus zu neuen Taten").

Auch das Ende des Bandes - das Dank-Schreiben - ist voller Witz. Ein Südfruchtkompass, historische Textvarianten der einstigen Nationalhymne sowie Wortgestöber aus den Leserbriefen an den Autor (als Beispiel sei jene Mitarbeiterin für die Betreuung von Sanitäranlagen genannt - eine verschleierte Bezeichnung für die Klofrau) sorgen für Schmunzeln beim Leser.

Röhls satirisches Wörterbuch ist eine tolle Lektüre für alle, die am Sprachspiel großen Gefallen finden. Diese Publikation untermauert beeindruckend die These: "Keine neue Welt ohne neue Sprache". Deshalb eignet sie sich ausgezeichnet für alle diejenigen, die an den kulturgeschichtlichen und soziolinguistischen Veränderungen der Sprache Interesse haben.


Titelbild

Ernst Röhl: Deutsch - Deutsch. Ein satirisches Wörterbuch.
Eulenspiegel Verlag, Berlin 2006.
114 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 3359004957

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