Beziehung reloaded!

Über Anne von Vaszarys Roman "Rock mich!"

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Aufmachung und Titel des Buches von Vaszary machen auf den ersten Blick einen poppig-rockigen Eindruck. Das Personal des Romans ist überschaubar und der Inhalt schnell beschrieben. Die Hauptfigur Antonia, Anfang Dreißig, skizziert ihren bisherigen Lebensweg aus der Perspektive der Ich-Erzählerin. Aufgewachsen in der DDR, verliebt sie sich in Rocky, von dem sie später ein Kind bekommt, von dem er nicht weiß, dass er der Vater ist. Bei einem gemeinsamen Ausflug an die Ostsee verunglückt der zweijährige Oskar und stirbt. Antonia versucht den Verlust des Kindes, die Unmöglichkeit einer Beziehung zu Rocky und ihre eigene Orientierungslosigkeit zu verarbeiten. Dabei helfen ihr vor allem häufig wechselnde Sexualpartner. Der Roman schließt mit der Mitteilung einer Zeitungsanzeige, in der Rocky und seine Frau Claudia die Geburt einer Tochter anzeigen. Rockys Tochter heißt Antonia.

In knapper Sprache gehalten, mit einem Gespür für analytische Beschreibungen und einem Gefühl für die verzichtbaren Teile einer Romanhandlung muss der Roman als ganzes doch schwer um die Aufmerksamkeit des Lesers kämpfen. Gerade die Passagen mit Rocky und die beschriebenen Sexszenen erscheinen manchmal aufgesetzt. Nicht besonders originell ist auch die Gewinnung des Romantitels aus der Handlung. Nachdem Antonia mit ihrem Liebsten geschlafen hat, ist die Feststellung, dass Rocky "mich rockt" kein sprachlicher Geniestreich: "Rocky rockt mich und Oskar schläft ein." Man fragt sich an solchen Stellen doch, warum man diesen Roman eigentlich lesen sollte.

Aber merkwürdigerweise sieht man der Autorin diese Nachlässigkeiten gerne nach, denn es gibt einige wirklich gute Passagen in dem Buch. Es sind die Beschreibungen aus der Zeit vor 1989, die ganz auf eine so oft zu findende Larmoyanz in den "DDR-Erinnerungs-Schilderungen" verzichten und den Leser mit dichten, treffenden Beschreibungen in die Welt der Antonia ziehen, die noch auf der Suche ist, ihren "Rocky" noch nicht gefunden hat. Eindrücke aus Kinder- und Mädchenzimmern, aus Schullandheimen und Nebenjobs während der Schulzeit. Da ist Vaszary wirklich wortmächtig, zieht den Leser in den Bann: "Im Kleiderschrank meiner Schwester hing ein Poster von Shakin' Stevens auf Augenhöhe an der Innentür. Sein Mund war kaum noch zu sehen, ganz blass geküsst. Ich nahm Shakin ab und hängte ein Bild von Sonny Crockett von Miami Vice genau in Augenhöhe. [...] Wenn ich mich mit dem Rücken zum Sockenfach platzierte und Sonnys Bild auf mich zukommen ließ, indem ich die Schranktür zuzog, konnte ich mich so einklemmen, dass ich nicht mehr wegkam. Es war, als ob Sonny Crockett mich an die Wand pressen würde, um mich leidenschaftlich zu küssen. Ich guckte dem Poster tief in die Augen und keuchte 'Hey Sonny! Was willst du von mir?' Alles, Schätzchen, alles."

Bei aller Zwiespältigkeit der Lektüre ist "Rock mich!" ein Buch, das sprachlich so viel Potential enthält, dass man auf den Nachfolger gespannt sein darf. Ohne Rocky wäre es vielleicht sogar noch besser. So wie in mancher Biograpfe der Protagonist manchmal "stört" und doch unabkömmlich ist, so ist es auch bei der Lektüre des Romans mit manchen Abschnitten. Man ist gewillt, mit dem letzten Satz des Buches zu schließen: "Ich weiß nicht, was ich davon halten soll."


Titelbild

Anne von Vaszary: Rock mich! Roman.
Mitteldeutscher Verlag, Halle 2007.
160 Seiten, 17,00 EUR.
ISBN-13: 9783898124300

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