Hiobs Kinder

Wie sich Alfred Döblin für das Christentum entschied

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Mit eigensinniger Wachheit und Neugier hat der Arzt und Dichter Alfred Döblin, Verfasser des Großstadtromans "Berlin Alexanderplatz", Anteil an wesentlichen Ereignissen und geistigen Tendenzen seines Zeitalters genommen: an Weltkriegen und Revolutionen, an Wissenschaft und Mystik, Politik und Religion, Technik und Philosophie. Selbst in der Literatur durchlief der Schriftsteller alle wichtigen Bewegungen und Phasen seiner Epoche: den Futurismus und Expressionismus, die Neue Sachlichkeit, die Literatur des Exils und der Nachkriegszeit.

Denn Döblin war ein Mann, den die Welt etwas anging, den sie anredete und von dem sie Stellungnahmen abverlangte. Nicht die Beobachtung, sondern die Teilnahme machte ihn zum Prosaisten. In seinen Büchern und Schriften hat er sich daher auch immer wieder mit philosophischen, theologischen und religiösen Fragen und bedeutenden geistigen Strömungen auseinander gesetzt, um, wie Goethes Faust, zu "erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält", um zu erfahren, "wie es allgemein, ganz allgemein um den Menschen steht."

"Die Menschen", befand Döblin, der in Berlin in den 1920er-Jahren eine neurologisch-psychiatrische Kassenpraxis leitete und dessen Herz für die Armen, Benachteiligten, Irren und Kinder schlug, "sind eine wunderbare Gesellschaft; man kann eigentlich nur gut zu ihnen sein und sich seines Hochmuts schämen. Ich fand meine Kranken in ihren ärmlichen Stuben liegen; sie brachten mir auch ihre Stuben in mein Sprechzimmer mit. Ich sah ihre Verhältnisse, ihr Milieu; es ging alles ins Soziale, Ethische und Politische über."

Die Suche nach Wahrheit hatte Alfred Döblin zur Medizin getrieben und ebenso zur Schriftstellerei. Auf der Suche nach Wahrheit seien ihm, schreibt Dorothee Sölle, Politik und Theologie wichtiger gewesen als alle Ästhetik. Nach seiner Konversion zum Katholizismus im Jahr 1941 glaubte er, nun endlich nach langem Suchen und Herumirren den richtigen Weg zur Wahrheit gefunden zu haben.

Schon früh hatte Alfred Döblin bei der Literatur Zuflucht gesucht, freilich nicht bei Goethe oder Schiller, sondern bei jenen, denen es nicht gelingen wollte, einen Platz in der Gesellschaft zu finden, bei Heinrich von Kleist und Friedrich Hölderlin. Aber auch andere, für das Jahrhundert maßgebliche Dichter und Denker haben ihn geprägt: Friedrich Nietzsche, Sigmund Freud, Søren Kierkegaard, Arthur Schopenhauer, Fjodor Dostojewski, August Strindberg, Georg Büchner und Frank Wedekind.

Mit vierzehn Jahren machte er kurze Aufzeichnungen in einem kleinen blauen Heft und notierte, Gott sei das Gute in der Welt. Doch nachdem er Nietzsches "Genealogie der Moral" gelesen hatte, war er tief erschüttert: "Kannte ich Gott trotz alledem, gegen den es hier ging? Wusste ich von ihm? Ahnte und ersehnte ich ihn? Ich weiß nicht. Aber ich sah, dass es hier schrecklich ernst wurde, dass es um Gott ging und dass ich daran beteiligt war."

Von Anfang an wies sein Denken alttestamentarische Bezüge auf und war erfüllt von der Sehnsucht nach dem Metaphysischen, von dem Bedürfnis nach mystischer Erlösung. Auch sein berühmtes Buch "Berlin Alexanderplatz - Die Geschichte vom Franz Biberkopf" lebt von biblischen Zitaten und Geschichten, von einem direkten Bezug zur Hiobgeschichte und der Geschichte "des Christos, der an der Welt scheitert, weil er mehr von ihr will, als sie dem Menschen gewährt." (Dieter Forte)

Der Theologe und Germanist Georg Langenhorst hat in seinem Band "Hiob. Unser Zeitgenosse" indirekt-thematische wie direkt-textliche Bezüge zum Hiobbuch herausgestellt - nicht von ungefähr. Immerhin spiegeln sich in Biberkopfs Schicksal die Klagen und Verzweiflungen des biblischen Vorbildes im zeitgenössischen Kontext wider. Aber wo der biblische Hiob unschuldig ist, ist dieser ein Dieb, Mörder und Zuhälter und wird schuldig - wenn auch ungewollt, ohne Absicht, ohne Vorsatz. Die Erkenntnis des biblischen Hiob resultiert dagegen aus einer göttlichen Offenbarung. Diese Ergebung könne Biberkopf, so Langenhorst, nicht nachvollziehen. Tatsächlich tritt Gott im ganzen Buch nicht ein einziges Mal auf, weder als Person noch als Instanz. Für Langenhorst taucht in dem Roman nirgendwo eine religiöse Dimension auf. Es verbiete sich daher, bei diesem Buch von Döblins erster christlicher Dichtung zu sprechen. Ähnlich urteilt Friedrich Emde.

Walter Muschg war dagegen anderer Meinung. Er sah in Döblins populärem Roman ebenso wie Dorothee Sölle dessen erste christliche Dichtung. Für Langenhorst indes ist Biberkopf ein Hiob in einem ungerechten Universum ohne Gott, ein Stellvertreter des modernen Großstadtmenschen. Döblin selbst hat die Rezeption seines Erfolgromans "Berlin Alexanderplatz" als pures Missverständnis bezeichnet. Man habe als Großstadtschilderung und psychologische Studie gelesen, was ein metaphysischer und religiöser Roman sei. Auch Alfred Döblins letztes, 1956 erschienenes Buch "Hamlet oder Die lange Nacht nimmt ein Ende" - es ist die Geschichte des englischen Soldaten Edward Allison, der schwer verwundet aus dem Krieg ins Elternhaus zurückgekehrt und nun ergründen möchte, wer an dem Krieg schuld ist - wird von vielen Rezipienten unter christlichen Vorzeichen interpretiert, etwa von Gustav Sichelschmidt und Walter Muschg.

Schon in den ersten vier Jahrzehnten seiner schriftstellerischen Laufbahn hatte sich Döblin mit verschiedenen Religionen intensiv beschäftigt. Ob es sich, wie im 1912 bis 1913 entstandenen Roman "Die drei Sprünge des Wang-lun", um den Taoismus handelt, um den Buddhismus in den Abhandlungen "Das Ich in der Natur" (1927) und "Unser Dasein" (1933), oder um den Hinduismus in seinem Epos "Manas"(1927): die Gottsuche des Schriftstellers war immer präsent, mehr noch, nach Döblins eigener Aussage, stand das religiöse Thema stets im Zentrum seines Denkens und Schaffens.

Bereits 1904 schrieb Döblin als Student an Else Lasker-Schüler: "Ich werde vielleicht noch einmal sehr gläubig werden [...] wenn man zu denken versucht, wird alles Bekannte unbekannt; das Rätsel steht unglaublich dicht vor der Tür.. Das Beste, was wir tun können, ist beten [...] Nichts ist mir widriger als der aufgeklärte Liberalismus, der über die Religionen lacht und sie für Massenfraß hält."

Vor allem nach Döblins Flucht aus Deutschland 1933 fanden seine immer schwieriger werdenden Lebensverhältnisse, die innere Umkehr und die Hoffnung, die die Religion ihm dann schenkte, in seinem literarischen Werk ihre Widerspiegelung, wie etwa in dem mehrbändigen, zwischen 1937 und 1943 entstandenen Erzählwerk "November 1918".

Während des Pariser Exils näherte sich Döblin schrittweise dem Christentum an. Schon in der "Reise in Polen" (1925) kam die Faszination für Jesus Christus unübersehbar zum Ausdruck. In der Marienkirche von Krakau war der Schriftsteller auf das Kruzifix gestoßen, das Veit Stoß "aus seiner jammernden Seele geholt" hat.

Als ihn 1940 nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich seine Flucht quer durch Frankreich in die südfranzösische Stadt Mende verschlug, saß er oft lange, in Andacht und Gedanken versunken, in der dortigen Kathedrale vor dem Kruzifix und erlebte das Wunder seiner Wandlung, über das er später berichten sollte. Wie eine Erleuchtung traf es ihn beim Anblick des gekreuzigten Jesus: "Schmerz, Jammer ist in der Welt". Erschüttert bekannte er sich zu dem "hingerichteten Rebellen". Dieses Erlebnis war auch das Ende einer über einen Zeitraum von rund zwanzig Jahren sich erstreckenden religiösen Wandlung. Ihm kam eine Schlüsselrolle in Döblins Entwicklung zu. Das verschlafene Städtchen Mende wurde Döblin zum Damaskus-Erlebnis, meint Gustav Sichelschmidt.

In "Schicksalsreise. Bericht und Bekenntnis"(1949), in dem sich Döblins Weg vom geistesrevolutionären zum christlichen "Döblinismus" anschaulich verfolgen lässt, gesteht er, dass er in Paris oft vor Läden gestanden habe, in denen man Kruzifixe verkaufte. "Sie zogen mich an. Vor ihnen fiel mir ein: das ist das menschliche Elend, unser Los, es gehört zu unserer Existenz, und dies ist das wahre Symbol. Unfassbar der andere Gedanke: was hier hängt, ist nicht ein Mensch, dies ist Gott selber, der um das Elend weiß und darum herabgestiegen ist in das kleine menschliche Leben." Einige Zeilen weiter liest man: "Ich vermag mir von Gott kein liebliches Bild zu machen. Ich muss den, der diese Welt bestellt, nehmen wie er (und diese Welt) ist. Ich muss ihn in Bausch und Bogen schlucken. Einen filtrierten ,lieben Gott' kann ich nicht akzeptieren."

Angeleitet von Jesuiten trat Döblin, zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn Stephan, im November 1941 zum Katholizismus über und legte fortan eine Unbedingtheit an den Tag, die konvertierten Katholiken oft zu eigen ist.

Seine Konversion zum Christentum war mithin keineswegs ein abruptes, blitzartiges Ereignis oder eine augenblickliche Bekehrung, sondern ein über Jahrzehnte sich erstreckender, langwieriger und äußerst komplexer geistiger Vorgang am Ende einer langen Kette von Einsichten, Erkenntnissen, Erschütterungen, Enttäuschungen, Zufällen und Zweifeln, die erst ganz allmählich zur Glaubensgewissheit geführt hatten. Allerdings wurde und wird der Stellenwert der metaphysischen und religiösen Elemente in Döblins Schaffen oft übersehen und sein Interesse für soziale, politische Fragen überbetont. Nur wenige Kritiker haben das religiöse Moment in seiner Persönlichkeit erkannt, etwa Robert Minder, Walter Muschg und Dorothee Sölle, die der Ansicht war, dass die Frömmigkeit Döblin "zwischen den Futuristen und Expressionisten, zwischen USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei) und einem freiheitlichen Sozialismus, zwischen Zionismus und jüdischer Erneuerung hin- und hergetrieben" habe.

Jede Absage an eine dieser Richtungen könne man verstehen, weil diese immer nur ein Moment verabsolutierten, entweder das Wirtschaftliche, das Ästhetische oder den Judenstaat. Zu guter Letzt habe ihn der Weg über die Lektüre Kierkegaards, dann Taulers zu Jesus geführt, "dessen er in Mende gewiss wurde." Auf die Frage, wie der Mensch Sinn und Halt finden könne, habe Döblin verschiedene Antwortversuche unternommen.

Ähnlich argumentiert Gustav Sichelschmidt. "Döblins Bekehrung war im Grunde nur die letzte Konsequenz seines lebenslangen Suchens nach etwas Bleibendem." Schließlich habe sich gezeigt, "dass dieser von geistiger Neugier getriebene Autor keineswegs der ,glaubenslose Intellektuelle' war, für den man ihn lange Zeit hielt [...] Bis zuletzt stellte der Feuergeist jede erreichte Position in Frage." "Alfred Döblins Weg kann", so Friedrich Emde, "beschrieben werden als Weg eines modernen Menschen zum Glauben."

Der Übertritt zum katholischen Christentum hat indes den Schriftsteller im Alter weder einsichtiger noch milder gestimmt und in den letzten Jahren seines Lebens auch nicht vor Einsamkeit und Verbitterung bewahrt. Denn auch nach seiner Konversion war er ein Fragender und Suchender geblieben. Sein undogmatisch ökumenischer christozentrischer Glaube, sein pazifistischer Widerstand gegen jeglichen Totalitarismus machten ihn weiterhin zu einem der unbequemsten und aktuellsten Schriftsteller seiner Zeit.

Der Germanist Robert Minder, Döblins treuer Freund und Bewunderer, behauptete, dass sein Christentum "bis zuletzt von einer freien, schweifenden Art geblieben" sei. Döblins Übertritt zum Katholizismus 1941 aber rief bei vielen seiner Zeitgenossen Abwehr und überscharfe Reaktionen hervor. Davon zeugt auch Brechts Gedicht "Peinlicher Vorfall" von 1943.

Anlässlich des 65. Geburtstages von Alfred Döblin traf sich am 14. August 1943 ein illustrer Kreis von deutschen Emigranten - Bertolt Brecht, seine Frau Helene Weigel, die Brüder Thomas und Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, Hanns Eisler - im kleinen Theatersaal von Santa Monica (Kalifornien). Man feierte zusammen - und ehrte das vereinsamte und verarmte Geburtstagskind. Als Döblin jedoch in seiner Dankesrede kundtat, dass er, der jüdische Intellektuelle, zum christlichen Glauben gefunden habe und katholisch getauft worden sei, kam es zum Eklat. Einige Gäste verließen sogar die Feier, ohne sich zu verabschieden.

"Die Stimmung war gerührt. Das Fest nahte seinem Ende.
Da betrat der gefeierte Gott die Plattform, die den Künstlern gehört
Und erklärte mit lauter Stimme
Vor meinen schweißgebadeten Freunden und Schülern
dass er soeben eine Erleuchtung erlitten habe und nunmehr
Religiös geworden sei und mit unziemlicher Hast
Setzte er sich herausfordernd einen mottenzerfressenen Pfaffenhut auf
Ging unzüchtig auf die Knie nieder und stimmte
Schamlos ein freches Kirchenlied an, so die irreligiösen Gefühle
Seiner Zuhörer verletzend, unter denen
Jugendliche waren.
Seit drei Tagen
habe ich nicht gewagt, meinen Freunden und Schülern
unter die Augen zu treten, so
Schäme ich mich.", so erinnerte sich Bertolt Brecht-

Während der Ton des Gedichts eher hämisch ist, führt Brecht in seinem "Arbeitsjournal" die vielen Schicksalsschläge an, die Döblin so weit gebracht hätten und die als mildernde Umstände anzuerkennen seien. Für Brecht ist Döblins Konversion ein Zusammenbruch, für den er sich schämt.

"Man lehnte mich schweigend ab", so kommentierte der Schriftsteller später in "Schicksalsreise" die missglückte Geburtstagsfeier. In einem Brief an die Eheleute Elvira und Arthur Rosin in New York bemühte er sich, seinen Entschluss zur Taufe zu erklären. Es würde ihm leid tun, schreibt er, "wenn irgendwann und irgenwo" der Eindruck entstünde, er sei durch eine Konversion intolerant geworden und hätte die Ideen der Inquisition verinnerlicht. "Keine Spur", versichert er. "Ja, nicht ein einziges Mal nenne ich das Wort katholisch oder römisch-katholisch, ich spreche vom Christentum und dieses ist natürlich erwachsen aus dem Jüdischen."

Einige Jahre später, 1948, zog Döblin Bilanz: "Wohl dem, der mehr hat als seine Augen, mehr als seine Logik und seine Mathematik. Glückselig der, der mühelos reifen konnte. Aber wohl auch uns, die wir Zeit unseres Lebens gefragt, gesucht und geirrt haben, wohl uns, wenn wir auch als Wrack noch in den Hafen einlaufen und am Fuß des Leuchtturms stehen oder liegen, den unser inneres Auge immer erblickt hatte."

Aber völlige Ruhe und vollkommenen Frieden hatte er selbst nach der Konversion nicht gefunden. Sein innerliches Ringen nahm mit seiner Bekehrung kein Ende. Auch nach der Konversion bekundete Döblin unverändert sein Interesse für die Welt der Politik, der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, der Künste und der gesellschaftlichen Probleme. Was er fortan als bekennender Christ ablehnt, ist die Einengung des menschlichen Denkvermögens auf die aktuellen säkularen Probleme des Hier und Jetzt. Für ihn existierte noch eine andere Realität: die religiöse Dimension der menschlichen Existenz, die Döblin als Denker und Rationalist voll anerkennt, weil er sich nicht "künstlich [...] auf einen Ausschnitt der menschlichen [...] Vermögen" beschränken lassen wollte.

In Döblins Selbstverständnis spielte das politisch-soziale Element weiter eine herausragende Rolle, wobei er das Christentum nicht als Alternative zur sozialistischen Ideologie betrachtete, sondern gewissermaßen als deren Vervollständigung der Vollendung, die jedoch von einer bestimmten Staatsform unabhängig sein musste.

Anfang der 1950er-Jahre verkündete Döblin: "Ich bin für eine klare und radikale Friedensidee, aber ich verbiete mir die Verkleisterung des Politischen und des Christlichen mit einer bestimmten Politik eines Staates." Döblin meinte die Verkleisterung nicht nur in der DDR und im Ostblock zu finden, sondern auch in der Bundesrepublik, die im Zuge der Aufrüstungspolitik überall zu spüren sei, auch - und dies traf Döblin verständlicherweise an sehr empfindlicher Stelle - in Angriffen von katholischer Seite her auf Personen, die öffentlich gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands Stellung bezogen hatten, wie etwa Reinhold Schneider, der wegen seines Pazifismus stark angegriffen wurde.

Auch das deutsche Lesepublikum war nach 1950 kaum mehr für Döblins schlichte christliche Botschaft zu gewinnen. Der Wohlstand wuchs, die Schrecken des Krieges fingen an, zu verblassen, Misstrauen und Skepsis gegenüber sämtlichen Ideologien (zumindest in intellektuellen Kreisen im Westen) herrschten vor. Werke religiöser Art ließen sich immer schlechter verkaufen. Noch im Krieg hatte Döblin 1942 in "Der unsterbliche Mensch" ein Religionsgespräch begonnen, um seinen neu gewonnenen Glauben zu untermauern und zu rechtfertigen, vor allem gegen die Anklage der Fahnenflucht und des Verrats an der menschlichen Freiheit und Vernunft. Im Frühjahr 1943 war das dialogische Werk abgeschlossen und erschien 1946 bei Karl Alber in Freiburg. So wurde erst durch Döblins erste Buchveröffentlichung nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes seine Konversion allgemein publik. Er fand dafür nur einige prominente Fürsprecher und Bewunderer wie Eugen Kogon und Elisabeth Langgässer. Von 1950 bis 1952 verfasste Döblin ein zweites Religionsgespräch unter dem Titel "Der Kampf mit dem Engel. Ein Gang durch die Bibel." Beide Religionsgespräche liegen heute als Taschenbuch vor.

In diesen bemühte sich Döblin, behutsam zu beweisen, dass man nicht nur in biologisch-empirischen Kategorien denken dürfe, da diese unzureichend seien, wenn man zum letzten Grund der menschlichen Existenz, dem rein geistigen Prinzip, nämlich Gott, vordringen wolle. Wiederholt betonte der Schriftsteller, dass der Glaube kein Betäubungsmittel sei, keine überholte Haltung, keine Flucht vor der modernen Wirklichkeit in die Passivität oder "Eigenbrötlerei", sondern der Weg zur Wahrheit und zur eigentlichen Realität.

Die Fragen aber, die ihn bis zum Ende seines Schaffens quälten, lauteten: Wie kann und soll erklärt werden, dass Gott das Böse zulässt? Kann der Mensch etwas dafür, dass er eine sündige Natur ist, dass er immer wieder der Sünde verfällt? Hatte der Schöpfer das Recht, ihn dafür zu verfluchen?

Döblin bringt das Böse in Zusammenhang mit der menschlichen Freiheit. In der Freiheit müsse sich der Mensch bewähren. Obwohl wir es vermeiden könnten, tun wir das Böse und werden schuldig. Immer wieder weist Döblin darauf hin, dass der Mensch nicht ganz und gar determiniert ist, sondern dass im Gegenteil vieles von ihm abhängt. Die Zweifel und das Leiden gehörten nun einmal zur Freiheit des Menschen. Das Cartesianische "cogito ergo sum" ersetzt er durch "Jesus ist, also bin ich."

Zum Schluss noch ein Auszug aus einem Brief, den der schwer erkrankte Döblin am 7. Januar 1957 an Hans Henny Jahnn richtete: "Ich bin auf meiner ,Schicksalsreise' schon um 1939 zum Christentum gelangt. In diesen Hafen gelangt kein eiserner Vorhang. Die Starre und Lähmung, die meine Organe progressiv befällt, besagt: Es ist genug mit deiner physischen Existenz, von jetzt ab hast du eine andere Blickrichtung nötig." Einige Monate später starb er, am 26. Juni 1957 in Emmendingen -verfemt und vergessen.

Auf den Grabstein, unter dem Alfred Döblin und seine Frau Erna im elsässischen Housseras neben ihrem Sohn Wolfgang ihre letzten Ruhestätten gefunden haben, hat der Schriftsteller zuvor in goldenen Buchstaben eingravieren lassen: "FIAT VOLUNTAS TUA".