Schön traurig

Gute Literatur kann zu Herzen gehen - das zeigt Banana Yoshimotos neuer Roman "Federkleid"

Von Sönke AbeldtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sönke Abeldt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Trauer, Sehnsucht, Einsamkeit - das ist der Stoff, aus dem Mahoko "Banana" Yoshimoto seit 20 Jahren ihre Erzählungen und Romane schneidert. Die 1964 in Tokio geborene Japanerin avancierte mit ihren ersten Arbeiten "Moonlight Shadow" (1986) und "Kitchen" (1988) zu einem Popstar. Die Begriffe "Banana-Mania" und "Haruki-Banana-Phänomen" bezeichnen den Hype, den sie und ihr Schriftstellerkollege Haruki Murakami als Vertreter einer neuen modernen japanischen Literatur ausgelöst haben.

Wahrscheinlich treffen nicht nur die von Yoshimoto gewählten Themen den Nerv junger Menschen. Die Autorin versteht es zudem glänzend, sich selbst in rührenden Nachworten als Identifikationsfigur in Szene zu setzen: Manchmal wünscht sie ihren Lesern "eine glückliche Zeit" ("Kitchen"), dann dankt sie all jenen "von ganzem Herzen", die ihr "ermutigende Briefe geschrieben haben" ("N.P."). An anderer Stelle ist Yoshimoto "schon froh", wenn sich ihre Leser "einigermaßen unterhalten haben", während sie gleichzeitig ihre rastlose "Suche nach neuen Erfahrungen des Herzens" erwähnt ("Dornröschenschlaf").

Obwohl die 40 überschritten, spricht hier selbst noch eine Jugendliche. Yoshimoto scheint zu wissen, wie es jungen Japanern geht. Für diese auf sich selbst zurückgeworfene Generation ist eine hochtechnisierte, internationalisierte Großstadt die Realität - die traditionelle Gemeinschaft der Familie mit festgeschriebenen Rollen nur Fiktion. Der daraus resultierende emotionale Schwebezustand bildet das Hauptmotiv von Yoshimotos melancholischer Literatur.

In ihrem traurig-schönen Roman "Federkleid" (Original: "Hagoromo", erstmals 2003) wird die 26-jährige Ich-Erzählerin Hotaru von ihrem verheirateten Geliebten verlassen. Sie kehrt daraufhin aus Tokio in ihre Heimatstadt zurück. Hotarus Welt erscheint zunächst beziehungslos, die Mutter ist gestorben, der Vater reist in der Weltgeschichte umher. Halt findet sie bei ihrer Großmutter, die ein Café betreibt, ihrer übersinnlich anmutenden Freundin Rumi, der Tochter einer Ex-Geliebten des Vaters, sowie bei Mitsuru, einem Nudelsuppen-Verkäufer, der seine in depressiver Bewegungslosigkeit erstarrte Mutter pflegt. Zu ihm baut Hotaru - die verprellte Liebhaberin, die eigentlich ein einsames Kind ist - eine Beziehung auf, die schließlich einen Weg aus dem Gefühlschaos weist.

Zutat Nummer eins für dieses Buch ist die einfache Sprache. Yoshimoto beschreibt bedeutungsschwere existentielle Erfahrungen und persönliche Krisen mit jugendlicher Naivität. Es fällt schwer, diese teeniehafte, mal einfältige, mal tiefsinnige Ich-Perspektive nicht authentisch zu finden.

Rezept Nummer zwei sind die übersinnlichen fiction-Elemente, die in der - durchaus weltlichen - Geschichte ihren Platz haben. Hotaru und Mitsuru sind sich als Kinder in einem gemeinsamen Traum begegnet. Und der verstorbene Vater von Mitsuru kommuniziert via Traum mit der Welt der Lebenden. Yoshimoto spielt so auf eine Art "Seelenverwandtschaft" zwischen den Protagonisten an und greift ihre Sehnsüchte auf, die in der Wirklichkeit nicht erfüllt werden.

So konstruiert, droht der Roman manchmal in melodramatisch-esoterischen Kitsch abzudriften. Doch Yoshimoto kriegt die Kurve, hat sie doch einen Stil gefunden, der sich als Mix zwischen der impressionistischen Darstellungsweise eines Kawabata und der Sprache des modernen Mädchenmangas beschreiben lässt - auf diese Eigenschaft von Yoshimotos Literatur hat Giorgio Amitrano in einem Beitrag zu "Kitchen" hingewiesen. Wer sich auf Story und Stimmung einlässt, dem muss am Ende des Buches - wie der erzählenden Hauptfigur - "ganz warm ums Herz" werden, weil Yoshimoto den richtigen Ton trifft.

Leider verzichtet "Federkleid" auf ein Nachwort der Autorin, das hätte das Gesamtbild sicher rund gemacht. Der plakative Klappentext des Diogenes Verlags - "Ein Buch, das vielleicht mehr Heilkräfte und neue Lebensenergien weckt als der beste Ratgeber!" - ist hingegen wirklich abwegig.


Titelbild

Banana Yoshimoto: Federkleid. Roman.
Übersetzt aus dem Japanischen von Thomas Eggenberg.
Diogenes Verlag, zür 2007.
156 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-13: 9783257065794

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