Von großen und kleinen Fischen

Über Paul Tordays Briefroman "Lachsfischen im Jemen"

Von Monika GroscheRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Grosche

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dr. Alfred Jones hat selten einen verrückteren Vorschlag auf seinem Schreibtisch im britischen Zentrum für Fischereiwesen vorgefunden als die Anfrage einer gewissen Ms. Chetwode-Talbot, die im Auftrag eines Scheichs Lachse im Jemen ansiedeln soll. Entsprechend unwirsch fällt seine abschlägige Antwort aus. Schließlich hat der - nicht zuletzt durch seine Artikel in "Salmon and Trout" - in Anglerkreisen weithin bekannte Wissenschaftler durchaus einiges an Reputation zu verlieren und verschwendet demgemäß keinen ernsthaften Gedanken daran, die kälteliebenden Wanderfische in die sirrende Hitze eines Wadis in der Wüste zu verfrachten.

Die irrwitzige Geschichte nimmt dennoch ihren Lauf, als der PR-Chef des publicitysüchtigen Premierministers darin eine einmalige Chance wittert, das durch den Irakkrieg stark angekratzte Image Großbritanniens im Nahen Osten ein wenig aufzupolieren und von Fototerminen mit fetten Lachsen inmitten des jemenitischen Hochlands träumt. Damit wird die private Idee des ebenso charismatischen wie reichen Scheichs Muhammad ibn Zaidi bani Tihama, eines begeisterten Fliegenfischers, zur geheimen Chefsache erklärt.

Entgegen allen Geboten der Vernunft sieht sich Dr. Jones daraufhin von höchster Ebene genötigt, gemeinsam mit Harriet Chetwode-Talbot das verrückte Projekt in die Tat umzusetzen - koste es, was es wolle. Im Lauf der Zeit entwickelt Jones zu seiner eigenen Überraschung nicht nur Sympathien für das Projekt, sondern auch für dessen angelfreudigen Initiator und für Harriet. Das wiederum verärgert nicht nur seine karrieresüchtige Frau Mary, die das eigene Renommee durch die Kapriolen ihres sonst so fügsamen Gatten gefährdet sieht, und sorgt für reichlich Verwirrung in Politik und Anglerwelt, sondern ruft überdies auch al-Qaida auf den Plan, die derart westlich-dekadentes Freizeitvergnügen in der islamischen Welt mit Mordplänen zu verhindern trachtet. Allen Schwierigkeiten zum Trotz scheint aber das Wunder dennoch Wirklichkeit zu werden - oder bleibt es am Ende doch eine Fata Morgana?

In der ungewöhnlichen Form eines Briefromans, dessen Story in E-Mails, Verhörprotokollen und Briefen aus den unterschiedlichen Perspektiven der Protagonisten erzählt wird, ist dem britischen Literaturwissenschaftler und begeisterten Fliegenfischer Paul Torday mit "Lachsfischen im Jemen" eine intelligente Mischung aus Entwicklungsroman und rabenschwarzer Politsatire gelungen. Lässt auch das Thema auf den ersten Blick wenig Spannung vermuten - unvergessen ist die unendliche Langeweile bei der Lektüre von "Aus der Mitte entspringt ein Fluss", dem ersten Roman, der dem Fliegenfischen ein Denkmal zu setzen versuchte - bietet es hier jedoch einen trefflichen Hintergrund für die einzelnen Erzählstränge vom subtilen Ehedrama über eine zarte Liebesgeschichte bis hin zum Politthriller im internationalen Kontext. Mit hintergründiger Ironie entlarvt Torday hierbei die großen und kleinen Lügen, Intrigen und Eitelkeiten, die weite Bereiche des zwischenmenschlichen Zusammenlebens beherrschen - einschließlich Wirtschaft und Politik. Eine wunderbare Lektüre, auch für all diejenigen, die für Angler im Allgemeinen und Fliegenfischer im Besonderen sonst nur ein Gähnen übrig haben.


Titelbild

Paul Torday: Lachsfischen im Jemen. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Thomas Stegers.
Berlin Verlag, Berlin 2007.
320 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783827006998

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