Verschärfte Aufklärung im 21. Jahrhundert

Kathy Reichs neuer Roman oder: Semper idem, Tempe

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es ist nicht der erste, und es wird nicht der letzte Roman über die Wissenschaftlerin Temperance Brennan sein, den Kathy Reichs, selbst wie ihre Protagonistin forensische Anthropologin für die Provinz Quebec und Professorin an der Universität von North Carolina-Charlotte, vorlegt. In der Kurzform Tempe genannt, ist Brennan - oder auch das Alter Ego der Autorin - eine der sympathischsten Figuren des Genres. Sie arbeitet vor allem im Labor, behandelt alte und neue Kriminalfälle und versucht dies einigermaßen mit ihrem Privatleben in Einklang zu bringen - mehr oder weniger erfolgreich. Wenn sie allerdings das Labor verlässt, wird es spannend, und vor allem meist auch noch persönlich. So auch in diesem Fall.

Der Band "Knochen zu Asche" unternimmt eine spannende Reise in die Vergangenheit der Protagonistin. Es ist eine Jungendfreundin, die vor dreißig Jahren verschwunden ist, und an die Tempe durch einen merkwürdigen Skelettfund im kanadischen Neuschottland erinnert wird. Als dann noch Tempes Schwester in die Handlung eingreift und bei privaten Recherchen der beiden Schwestern ein kleines Gedichtheft mit dem Titel "Knochen zu Asche" auftaucht, bringt dies das Geschehen maßgeblich voran. Verschwundene Personen tauchen aus dem Nichts auf und die Spuren verschränken sich an mehreren Stellen miteinander. Dabei ist es immer wieder charmant, wie private Details - etwa die in der Schwebe befindliche "Beziehung" zu Ryan - in die Handlung eingeflochten werden: "Jetzt reagier nicht wie ein verunsichertes Schulmädchen, sagte ich mir. Ryan hat viel zu tun. Macht sich Sorgen wegen seiner Tochter. Wegen eines Serienmörders. Wegen Ohrenschmalz, das seinen Gehörgang verstopft. Wegen des Senfflecks auf seiner Krawatte. Ich glaubte es mir selbst nicht." Erfrischend ist die Kombination von lakonischem Erzählstil und der nötigen Portion Humor, etwa nach einem nicht so harmonischen Zusammentreffen zwischen Tempe und Ryan heißt es: "'Das wird unsere Zusammenarbeit natürlich nicht beeinträchtigen.' Noch ein dünnes Lächeln. 'Wir bleiben Mulder und Scully.' X-Akten. Ex-Geliebte."

Es ist ein spannender, gut geschriebener - und hier auch sehr gut übersetzter - Roman der Spätaufklärung des 21. Jahrhunderts, denn objektiver kann man es kaum noch machen, werden die Lösungen doch letztendlich immer durch die nötigen Kenntnisse, Kombinationen und rationalen Strategien erreicht. Dabei heben sich Reichs Romane angenehm vom Impetus der analytischen Romane und Serien durch die Brechung der zielgerechten Aufklärung der Kriminalfälle durch eine sympathische Protagonistin, die ihre persönlichen Probleme eben gerade nicht mit dem ihr zur Verfügung stehenden Arsenal an Recherchemöglichkeiten einer Lösung oder gar Klärung näher bringen kann, ab. Man könnte fast meinen, es wäre schon fast ein wenig Dialektik im Spiel.


Titelbild

Kathy Reichs: Knochen zu Asche.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Klaus Berr.
Blessing Verlag, München 2007.
381 Seiten, 19,95 EUR.
ISBN-13: 9783896673213

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