Muskelmanns Fegefeuer

Rick DeMarinis gibt seinem Helden Muskeln und Hirn

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Bodybuilder und Hausmeister als Krimiheld? In der Auswahl ihrer Zufalls-Ermittler agieren Krimiautoren einigermaßen willkürlich, wobei abgehalfterte Polizisten anscheinend die beste Wahl auf diesem Gebiet sind. Nicht aber in diesem Fall - und auch sonst ist die Figur Uriah Walkinghorse außergewöhnlich -, denn Walkinghorse ist nicht nur Bodybuilder (keine Chance gegen Arnold Schwarzenegger), sondern auch ein ehemaliger Mathematiklehrer, der nur deshalb die Klos seiner Wohnanlage wieder in Gang bringt, weil ihn seine Exfrau auszuplündern versucht (auch ein Klassiker in der amerikanischen Krimiliteratur). Ungewöhnliche Wendungen auf einer Standardbasis sind das Erfolgsrezept eines jeden guten Krimis, der allerdings erst dann wirklich gut zu nennen ist, wenn er dann auch noch gut erzählt wird. Kurz und knapp: Das ist hier der Fall.

Ansonsten ist der Plot obskur und die Geschichte verspricht zu Beginn nicht viel. Uriah Walkinghorse erhält ein lukratives Angebot und schaut sich das Ganze mal an. Was genau ihn erwartet, erfahren wir kurze Zeit später, denn Walkinghorse, der aus einer einigermaßen ungewöhnlichen Patchworkfamilie kommt, in der keines der zahlreichen Geschwister mit einem der anderen verwandt ist und erst recht nicht mit den Eltern, die sie groß gezogen haben, soll in einem Domina-Spiel den Schauhenker spielen, der halb entblößt (zwecks Präsentation von Bizeps und dergleichen) mit einem Henkersbeil hantiert und dem ersten Kunden gleich knapp über den Schädel schwingt.

Als der kurz darauf tot in der Umkleide liegt - Herzinfarkt - fangen die Probleme erst richtig an. Denn der unter dem Ansturm seiner Herrin und ihres Beile schwingenden Walkinghorse frühzeitig Verblichene ist der Chef einer großen ortsansässigen Bank, die ihre Finger im Geldwäschergeschäft hat. Die mexikanische Grenze ist nah, Drogengeld soll legal werden, und Banken haben dabei nun einmal eine zentrale Aufgabe. Sie sind es, die mit Geld handeln. Was also liegt näher als die Gründung oder der Erwerb einer Bank, wenn man Geld rein waschen will?

Gerade unter diesen Umständen ist ein toter Bankchef mit speziellen sexuellen Neigungen keine gute Presse. Wie ja auch für die Sexdienstleisterin in schwarzem Gummi der Tod eines prominenten Kunden quasi während der Dienststunden keine allzu gute Reklame ist - zumal dann, wenn das alles ganz schnell in die Nachrichten gerät und allgemeines Stadtgespräch wird.

Was also geschieht? Uriah wird, unter anderem von der Witwe des Bankdirektors, gebeten, die Leiche mit zu entsorgen, bekommt dafür auch ein paar Scheine - und damit sollte es sich haben. Aber merkwürdigerweise folgt auf den ersten Scheck der Witwe ein zweiter, es folgt ein dritter und so weiter. Uriah Walkinghorse gerät immer mehr ins Nachdenken darüber, ob er sich nicht doch besser aus allem herausgehalten hätte, Domina Domina und Geld hätte Geld sein lassen. Denn der Ärger, der jetzt auf ihn zukommt, ist gigantisch.

Hinzu kommt nun aber noch, dass sein vielfältiges und buntes Familienleben seinen Tribut von ihm verlangt. Der Vater leidet unter einem Gehirntumor und religiösen Wahnvorstellungen, ein Bruder unter Übergewicht und schlechter Laune, ein weiterer unter zuviel Geld und der letzte unter seinem Drogenkonsum. Uriah Walkinghorse, selbst nicht gerade ein Erfolgsexempel moderner Erziehung, muss sich also kümmern, und tut das natürlich. Denn der muskelbepackte Hausmeister, der zur Erholung Mathematiklehrbücher studiert, ist ein Herzensmann, der von seinen Mitmenschen nicht viel erwartet, aber ansonsten sehr hilfsbereit ist.

Diese Hilfsbereitschaft und der Geldmangel sind es, die ihn in die Bedrouille führen, aus der er nur mit knapper Not und nach langen, etwas merkwürdigen Erkenntnisprozessen entkommt. Bemerkenswert ist dabei nicht nur, dass DeMarinis seinen Krimi mit bewundernswürdiger Lakonie ausstattet, ihm gelingt es zudem, aus dem lahmen Anfang ein rasantes Unterhaltungsstück zu entwickeln, das man nicht gern aus der Hand legt. Je weiter der Krimi sich fortspinnt, desto komplizierter und undurchsichtiger wird dann auch alles, um dann am Ende in einem großartigen Finale zu münden. Dass der Muskelprotz Uriah Walkinghorse dabei eine neu gewonnene Liebe verliert, ist bedauerlich. Das Gemüt dieses Menschen, dem man wohl nie wieder begegnen wird, wächst einem einigermaßen ans Herz. Man hätte es ihm gegönnt.


Titelbild

Rick DeMarinis: Kaputt in El Paso.
Übersetzt von Frank Nowatzki.
Pulp Master Verlag, Berlin 2007.
342 Seiten, 12,80 EUR.
ISBN-13: 9783927734364

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