Adoleszenz im politischen Taumel

Kathrin Wildenbergers ehrlicher Debüt-Roman über den Rausch von Jugend, Liebesnächten und politischem Widerstand

Von Nicole SchmidtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nicole Schmidt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Romane über das Erwachsenwerden in der ehemaligen DDR gibt es viele, und meist sind sie gespickt mit wehmütigen Erinnerungen und Wörtern, die es in der BRD nicht gab. "Ich weiß, wie es dort war", schreit es dem Leser aus jeder Zeile dieser Bücher entgegen, "ich kenne die Gewohnheiten, ich weiß, wie die Dinge umgangssprachlich genannt wurden, ich war dabei".

Der Roman von Kathrin Wildenberger ist vielleicht kein literarisches Meisterstück, aber er ist angenehm und auffallend anders. Die junge Autorin erzählt von der spannenden Zeit der Wochen vor dem Fall der Mauer, ohne sich dabei wie die einzige Hüterin des heiligen DDR-Grals aufzuführen. Sie berichtet von den Treffen des Neuen Forums, von Versammlungen und Demonstrationen, von Unterschriftenlisten und Flugblättern so, wie man eben von Dingen berichtet, die wichtig waren; das aber nur als Hintergrund der eigenen, der persönlichen Entwicklung.

Wenn die Autorin für die Geschichte ihrer Protagonistin die Punk-Szene als Milieu gewählt hätte, die House-Scene oder die 68er-Bewegung, so hätte das ein ähnliches Buch ergeben können. Und das ist als Kompliment gedacht. Denn es erscheint überaus glaubwürdig, wie die Hauptfigur, die gerade erwachsen wird, in die Szene des politischen Widerstands gerät, wie sie sich darin bewegt und was sie darüber berichtet: Politik ist hier eine Sache, die angepackt werden muss, etwas, das Zeit und Nerven kostet, das mit anderen Menschen verbindet und auch mal - wenn sie die Familienmitglieder trennt wie die Mauer die beiden Teile Deutschlands - Sorgen bereitet. Aber Politik ist für die junge Frau auch nur die Hintergrundmelodie zu ihrem persönlichen Liebeslied, ihrem individuellen Schicksal.

Und gerade weil die Autorin so unaufgeregt schreibt, ist es ein Vergnügen, das Buch zu lesen. Natürlich, es gibt spannendere Liebesgeschichten mit komplizierterem Muster. Es gibt sicherlich auch gehaltvollere Beschreibungen der Vor-Wendezeit und der politischen Hintergründe. Doch dass sich die Autorin darüber selbst klar ist, schwingt in jedem Satz mit und macht aus diesem Roman ein gutes Buch. Es ist nicht kompliziert, es birgt keine auffälligen sprachlichen Schätze (jedoch sehr sinnliche Beschreibungen), aber es bietet in einer einfachen und doch flüssigen Sprache die ehrlichen Gefühle einer jungen Frau, die zum ersten Mal richtig verliebt, sich politisch engagiert und dabei erwachsen wird. Es ist sicherlich kein Buch, dass man gelesen haben muss oder das man, einmal gelesen, nicht mehr vergisst. Aber es ist eines, das man unangestrengt zum Vergnügen lesen kann, ohne dass es oberflächlich ist.


Titelbild

Kathrin Wildenberger: Montagsnächte. Roman.
Plöttner Verlag, Leipzig 2007.
220 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-13: 9783938442326

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