Steinschmerzen der Liebe

"Die Frau im Mond" ist der zweite Roman der Sardin Milena Agus

Von Anton Philipp KnittelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anton Philipp Knittel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sardinien in den 30er- und 40er-Jahren. Mehrere Verehrer haben im entscheidenden Moment vor der knapp 30-jährigen, dunkelhaarigen schönen Frau im kleinen Dorf Reißaus genommen. Nicht zuletzt weil sie als eigenwillig und verschroben, ja gar als verrückt gilt. Denn offensichtlich verstört sie, wie ein Gerücht besagt, die Männer mit "feurigen Liebesgedichten", die "nicht ganz frei von anzüglichen Anspielungen seien", was ihr schwerste Misshandlungen durch ihre Mutter einträgt. So geht die "Teufelin" schließlich ein paar Jahre später widerwillig die Ehe mit einem älteren Witwer ein, der 1943 bei ihrer Familie Unterschlupf vor den Bomben fand. Beiden ist klar, dass Liebe nicht im Spiel ist. "Er würde eben weiter das Bordell im Hafenviertel von Cagliari besuchen, so wie er es schon immer getan hatte". Eines Tages jedoch schlägt ihm seine Frau vor, die Dienste der Dirnen selbst zu übernehmen. "Ansonsten schliefen sie an den gegenüberliegenden Rändern des Bettes, jeder darauf bedacht, den anderen nicht zu berühren. Wie bisher sprachen sie nichts, außer: 'Habt eine gute Nacht.'"

Erzählt wird diese ungewöhnliche Geschichte einer einfachen und starken Frau auf der Suche nach Liebe von ihrer Enkelin. "Die Frau im Mond", 2006 unter dem Titel "Mal di pietre" - Steinleiden, Steinschmerzen - in Italien erschienen, ist das zweite Buch der Geschichts- und Italienischlehrerin Milena Agus. Und wie ihr Erstling "So lange der Haifisch schläft", ebenfalls erst 2007 auf Deutsch erschienen, ist die in kurzen Kapiteln mit einem überraschenden Ende erzählte Geschichte der vermeintlich verrückten Großmutter ein starkes Buch. Es ist der schlichte und kunstvolle Roman dreier unerfüllt-erfüllter Liebender. Da sind zunächst die Großmutter wie auch der Großvater, der sich liebevoll um seine Frau kümmert, und schließlich auch der "Reduce", jener kriegsverletzte Heimkehrer, den die Großmutter 1950 während ihrer Kur zur Linderung ihrer "mal di pietre", ihrer Nierensteine, die offensichtlich immer wieder zu Fehlgeburten führen, lieben lernt: "Ihr ganzes Leben lang hatte man ihr gesagt, dass sie wirke, als stamme sie von einem Dorf im Mond. Jetzt hatte sie das Gefühl, endlich jemanden getroffen zu haben, der aus derselben Gegend kam, und als sei das die Hauptsache im Leben, etwas, das ihr bisher gefehlt hatte."

Und dieses schlicht und unprätentiös, kraftvoll und poetisch zugleich zu Papier gebracht zu haben, ist der Reiz von Milena Agus' leichtem wie anspruchsvollem Roman, dessen Pointe hier nicht verraten sei.


Titelbild

Milena Agus: Die Frau im Mond. Roman.
Übersetzt aus dem Italienischen von Monika Köpfer.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2007.
136 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-13: 9783455400779

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