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Klischees, die Spaß machen: Adam Davies' New York-Schmonzette "Froschkönig"

Von Stefan MeschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Mesch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Tolle Bücher über Schwerenöter? Verknallte Ich-Erzähler, Boy-meets-Girl-Geschichten? "Hin und weg" von Ethan Hawke. "Das Rachel-Tagebuch" von Martin Amis. "Love is a Mixtape" von Rob Sheffield. "Naokos Lächeln" von Haruki Murakami. "Rocktage" von Dana Bönisch. Und das sind nur die richtig, richtig großen Stunden dieses Genres (auch unvermeidlich, doch mittlerweile reichlich angestaubt: Nick Hornbys "High Fidelity"). Alles romantische Nicht-Beziehungs-Bücher, urbane, slicke Texte über verknallte junge Männer und die exzentrisch überhöhten WG-Prinzessinnen, denen sie verfallen sind.

Schon in seinen ersten Romanen aus den 1980er-Jahren wilderte Bret Easton Ellis als Teil eines neuen literarischen "Brat Packs" durch diesen Dschungel. Im Jahr 2002, anlässlich des Erscheinens der US-Originalausgabe von Adam Davies' Debütroman "Froschkönig", schrieb Ellis für den Klappentext: "Der witzigste junger-Mann-in-New-York-Roman seit langem."

Das klingt, als gäbe es zwei solcher Bücher pro Woche, als sei das ein eigener Markt. Und wahrscheinlich hat Ellis Recht, denn "Froschkönig" enthält tatsächlich kaum eine Konstellation, die nicht schon gründlich vorgeführt wurde. Davies, selbst Jahrgang 1971, lässt seinen Ich-Erzähler Harald, einen 28-jährigen Lektoratsassistenten, von der exzentrischen Evie schwärmen. Nebenbei jammert Harald über Intrigen und Langeweile im Job, protzt mit Affären und stottert, dass er einfach nicht "Ich liebe dich" sagen kann. Er hat, ganz klar, sein Herz am rechten Fleck. Und Davies' Text ist, aber hallo, ein prima Schwerenöterbuch. Doch nicht einmal Herr Ellis könnte zeigen, was diesen gut gelaunten, bittersüßen Quatsch aus allem anderen herausstechen lässt.

Protagonist Harald jedenfalls würde das Buch, in dem er selbst vorkommt, hassen. Denn er ist der "möglicherweise größte Feind von Klischees, den dieses Verlagshaus je erlebt hat. Lektoren aus allen möglichen Etagen geben Harry ihre Manuskripte, damit er sie nach Klischees durchforstet." Harald hasst inspirierende Grußkarten und "Love Story", Harald hasst Alanis Morissette und reiche Leute, die sich wie ihre eigenen Karikaturen aufführen. Und noch viel mehr hasst Harald reiche Leute, die keine Karikaturen sind. Denn sie lassen ihn grübeln, wieso er keine hübsche Wohnung hat, keine Karriere, kein Geld. "Irgendwann träumte ich, ich trieb eine LKW-Ladung reicher Leute zusammen und tötete sie durch einen analen elektrischen Stromschlag - wie Nerze -, um anschließend ihre Kleidung zu klauen. Wenn ich gewisse Leute in ihren Designerklamotten durch Manhattan stolzieren sah, dachte ich: Bsss bsss."

Lustiger Typ, lustiges Buch. Davies hat die Regeln des Genres gut im Griff: Viel Sarkasmus und Wortwitz statt unrealistischer Pointen. Eine komplexe, starke Frauenfigur. Melancholische Details über Haralds Jugend, getupft statt dick gepinselt. Und eine Verlagswelt, die zwar nichts Neues zeigt (unfähige Praktikanten, schnippische PR-Zicken, im Slush Pile haufenweise Irrsinn), doch konsequent charmant und realistisch bleibt. "Froschkönig" ist ein Buch zum Zugfahren, zum Kranksein, ein gefälliges Geschenk für Anspruchslose. Autor Davies macht wenig falsch. Der Leser auch nicht.

Doch Herzblut fließt hier - gerade für ein Debüt - erschreckend wenig. Eigenheiten erlaubt sich Davies nur in den Dialogen (überdreht und voller Neologismen, klingt Haralds Gezank mit der begehrten Evie oft eher wie Privatwitz: "Ich bin nicht gern Emma [Bovary]. Wenn ich mir Frauenkleider anziehe, komme ich mir vor wie in Falcon Crest." Hä?). Der Rest ist einfallsloser Mainstream: doofe Nebenfiguren (ein putziges, vorlautes Straßenmädchen, das Haralds beste Freundin wird), der dümmliche Titel ("Du schenkst Harald deine Zuneigung. Du hoffst, dass er sich ändert. ER ÄNDERT SICH NIE." Er bleibt der Froschkönig. Egal, wie oft Evie ihn küsst.), die schlicht gestrickte Seelenlandschaft des Erzählers. "Ich habe vor, so lange zu trinken, bis ich nichts mehr fühle. Doch das klappt nicht. Ich fühle einfach immer weiter."

Als Evie einen romantischen Großstadtroman namens "Liebe ist eine Leiter" veröffentlichen will, kommt es Harald hoch ob der Klischees solcher Gute-Laune-Bücher: "Es ist ein Autoaufkleber, Evie. Es ist ein Glückskeks. Es ist so was wie ein auf dreihundert Seiten aufgeblähter Cosmo-Artikel über die Liebe." "Und?", fragt man sich da als Leser, "das ist 'Froschkönig' doch selbst!".

Zum Ende hin wird es hart: "Draußen vor dem vergilbten Fenster [...] schmilzt der frische, nasse Schnee und lässt alles glänzen wie Reptilieneier, als würden ganz neue Straßen und Häuser geboren - eine neue Stadt, die um mich herum Luft holt -, und etwas Kleines, Neues und Eingeschlossenes öffnet sich in meinem Herzen. [...] Ich werde nicht dieselben Fehler wiederholen. Ich werde nicht egoistisch, unaufrichtig und gewissenlos sein. Ich werde nicht faul sein. Ich werde nicht ständig saufen wie ein Geisteskranker. Ich werde nicht verstohlen, zwielichtig und illegal sein. Ich werde tapfer und liebevoll sein."

"Der Mond treibt sich wie ein billiger Freier um den Kirchturm herum", da klatscht die Metaphorik an die Wand, und der Humor fällt in den Brunnen. Dass Übersetzer Hans M. Herzog "Arschbacken" mit "Wangen" verwechselt, "borderline" nicht als Krankheit identifiziert und den TV-Kaffeeklatsch "The View" als "Kultur-Talkshow" bezeichnet, ist noch der kleinste Stolperstein: An seinen schlimmsten Stellen liest sich "Froschkönig" wie ein beliebig schlechter Kissing-in-Manhattan-Schund. Am schlimmsten misslingt die Figur der Judith, Haralds Affäre und arme reiche Leiterin eines Verlags für Liebesromane. Sie "nimmt ein Taxi uptown und weint heimlich vor sich hin, denn während sie Drinks ausgab und mit sorgsam mit der Wimpernzange hochgebogenen Wimpern klimperte, sahen alle Typen nur die zweiundzwanzigjährige Cocktailkellnerin hinter ihr an, deren pralle Brüste die Bierflaschen auf dem Tablett liebkosten."

Schon nächstes Jahr, skandiert der Klappentext, soll "Froschkönig" verfilmt werden. Bret Easton Ellis schreibt das Drehbuch. Produzent ist Darren Star, der Schöpfer schlimmer, schlechter Lügen wie "Central Park West", "Beverly Hills, 90210", "Cashmere Mafia" und - klar - : "Sex & the City". Bereits bei der Lektüre ahnt man fast: Die beiden werden sich gut mögen, Davies und Star. Sie setzen Schauwerte vor Realismus, Sentimentalität vor Psychologie. Deshalb sollte man den "Froschkönig" nur lesen, bevor er im Kino läuft. Bevor die Produktion das etwas feige, etwas grelle Buch zu einem gänzlich feigen, gänzlich grellen Film macht. "Froschkönig" hat Charme. Aber es nutzt jeden alten, schlechten Trick, um zu gefallen. Ein "schuldiges Vergnügen", wie Hans M. Herzog übersetzen würde.


Titelbild

Adam Davies: Froschkönig. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog.
Diogenes Verlag, Zürich 2007.
384 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783257066012

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