Mit einem Buch auf die einsame Insel

Erik Orsennas Roman "Inselsommer"

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, sich mit einem guten Buch auf eine kleine Insel zurückzuziehen? Bei guter Küche und edlen Tropfen -fernab von der Alltagshektik - die Sinne schweben und sich von guter Literatur inspirieren zu lassen. Diesen wahrlich reizvollen äußeren Rahmen präsentiert uns der französische Autor Erik Orsenna in seinem neuen schmalen Roman "Inselsommer".

Wie ein Märchen für verträumte Literaturliebhaber liest sich das Buch des ehemaligen Mitterand-Beraters, in dem von den Vergnügungen, aber auch von den Sorgen eines Übersetzers erzählt wird. Der Protagonist Gilles Chaline hat sich mit 47 Katzen auf eine einsame, vom Massentourismus noch verschonte Insel vor der bretonischen Küste zurückgezogen. Ausgestattet mit einem respektablen Scheck eines Verlages und einem diffizilen Auftrag: Er soll Nabokovs "Ada" ins Französische übersetzen.

Doch zunächst einmal genießt der Übersetzer das reizvolle Leben dieses Kleinods mit seinen malerisch beschriebenen Blütenprachten und lässt die Briefe seines Verlages ungeöffnet. Die Zeit verstreicht, ohne dass Gilles auch nur eine Zeile zu Papier gebracht hätte. Als irgendwann der kapitale Vorschuss seines Verlages aufgezehrt ist, wird die angenommene undzugesagte Arbeit zur wahren Obsession. Die Inselbewohner und die zahlreichen verschrobenen Sommerurlauber raufen sich zu einer kollektiven Hilfeleistung zusammen. Aufgerufen und organisiert von einer kapriziösen, aber liebevoll dargestellten Dame - einer geborenen Saint-Exupéry. Der Nabokov-Roman wird häppchenweise an einige Dutzend passionierte Hobby-Übersetzer verteilt. Ein Wunder - eben wie im Märchen. Bei diesem Akt der geistigen Massenhilfsbereitschaft wirkt ein argentinischer Urlauber schon beinahe wie ein störender Fremdling, weil er mittels eines geräuschträchtigen Funkgeräts übersetzerische Hilferufe für das "Ada"-Projekt rund um den Erdball schickt.

Was bei Wein und Steinbutt angefangen hat, endet mit einer turbulenten, von einem Unwetter begleiteten Überfahrt zum Festland. Gilles hat sein Manuskriptbündel an Bord. Ob er ankommt, ist letztlich nebensächlich.

Erik Orsenna, der 1988 für seinen Roman "Was kostet die Welt" mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet wurde, erzählt eine federleichte Geschichte, die von Uli Aumüller (zuletzt auch Übersetzer von Milan Kunderas "Die Identität" glänzend ins Deutsche übertragen wurde. Ein Buch, das zum Träumen animiert, das Lust auf Ferien, Ruhe und Besinnlichkeit auslöst - kurz: "Inselsommer" ist ein Muss für das Urlaubsgepäck.

Titelbild

Erik Orsenna: Inselsommer. Aus d. Französ. v. Uli Aumüller.
Carl Hanser Verlag, München 2000.
155 Seiten, 15,20 EUR.
ISBN-10: 3446198652

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