Es wird nie wieder gut

Ariane Grundies' Debütroman "Am Ende ich"

Von Mechthilde VahsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mechthilde Vahsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Max und Lutz fühlen sich schuldig. Die Mutter liegt nach einem Unfall im Koma und beide glauben - unabhängig voneinander - dafür verantwortlich zu sein. Keine leichte Sache für pubertierende Zwillinge, deren Vater mit der Situation nicht umgehen kann. So sitzen sie Tag für Tag und Jahr für Jahr am Bett der stummen Mutter, quälen sich mit ihrem Gewissen herum und fallen selbst ins Schweigen. Die Zeit steht still, Entwicklung ist nicht möglich.

Als der Vater sich eine Geliebte ins Haus holt, eine ehemalige Mitschülerin seiner Söhne, reicht es Lutz. Er zieht aus. In seiner neuen, überschaubaren Wohnung grübelt er weiter. Bewegung kommt hinein, als die Mutter stirbt und Max andeutet, dass er nachgeholfen hat. Die Brüder driften weiter auseinander, eine Verständigung ist kaum noch möglich.

Die alles überziehende Lakonie bleibt. Da kommt auch Tante Sylvia, die Max bevorzugt, mit ihren politischen Einwürfen nicht gegen an. Sie hat ihr eigenes Trauma, da sie den Vater der Zwillinge vor Jahrzehnten an die Stasi verraten hat.

Ein kurzer Roman über Identitäten, eine zerrüttete Familie, verlorene Stabilitäten und die Hoffnungslosigkeit, all dem zu entkommen. Es sind sehr dramatische Konstellationen, die sich die Autorin für ihr Debüt ausgesucht hat. Aber sie bewältigt die Aufgabe, zeichnet Figuren, die ins Verstummen versinken. Inmitten des Geflechts aus zerstörter Kommunikation schwingt die abwesende Mutter hin und her, besetzt nicht mehr einholbare Lebensentwürfe und Träume. Ein Familienpuzzle rund um die eine zentrale Situation setzt sich zusammen, wird pointiert in eine einfache Sprache übersetzt.

Trotzdem wünscht man sich zwischendurch, dass Lutz seine Lethargie und sein Selbstmitleid überwindet, einen Perspektivwechsel vollziehen kann. Der kommt am Ende auch, aber durch den Blick von Max, der seine Sicht auf die Geschehnisse erzählt. Ein gelungenes Debüt.


Titelbild

Ariane Grundies: Am Ende ich.
Kein & Aber Verlag, Zürich 2006.
160 Seiten, 16,90 EUR.
ISBN-10: 3036951725
ISBN-13: 9783036951720

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