Politisch korrekt

Iain McDowalls Sondierung der britischen Neonazi-Szene

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt Krimis, denen man nichts anhaben kann: Der Plot ist einigermaßen stimmig, die Figuren haben ein ausreichendes Profil (Eheprobleme hier, zu viel Alkohol dort, zu wenig Geld sowieso und Vorlieben für diese oder jene Musik erst recht). Hinzu kommt, dass sie nicht einmal politisch anrüchig sind, sondern eine korrekte Meinung vertreten (zum Beispiel zur rassistischen und gewaltbereiten Neonazi-Szene, etwa in den britischen Midlands). Und trotzdem machen sie Mühe - was so ziemlich das Schlimmste ist, was sich über einen Krimi sagen lässt.

Niemand der Süßigkeiten will, erträgt es, wenn sie bitter sind (es sei denn, sie sollen so sein), niemand der auf Hardrock steht, wird sich mit Country abfinden, niemand der Unterhaltung will, langweilt sich gern. Immerhin kostet so ein Buch Geld. Und die Lektüre soll die Ausgabe zumindest legitimieren. Warum tut sie es in diesem Fall nicht, obwohl alles in Ordnung zu sein scheint?

Ein Mann schwarzer Hautfarbe wird in einem Fluss ertrunken aufgefunden. Dass er psychisch krank war, ist bekannt, dass er bereits Selbstmordversuche hinter sich hat, ebenfalls - kein Grund also anzunehmen, dass etwas anderes dahinter steht, zumal auch die Spuren, die gefunden werden, keinen Hinweis auf ein Verbrechen geben.

Dabei bleibt es, bis ein Cousin des Toten auftaucht und gegenüber Chief Inspector Jacobsohn die Ansicht vertritt, dass Darren (so der Name des jungen Manns) keinen Selbstmord verübt hat, sondern ermordet worden ist - aus rassistischen Gründen. Jacobsohn, der gerade aus dem Urlaub zurück kam, wird durch den Hinweis zwar misstrauisch, aber erst der Tod des Cousins, eines Journalisten, (und das auch noch im selben Fluss) lassen ihn die Ermittlungen intensivieren. Dass mehr als nur ein Zufall dahinter steckt, wird klar, als das Hotelzimmer des Journalisten verwüstet aufgefunden wird und die Bänder der Überwachungskameras des Hotels, in dem das zweite Opfer gelebt hat, eine Aufnahmelücke von über einer halben Stunde aufweisen. Als dann der Nachtwächter, der in der fraglichen Nacht Dienst hatte, verschwindet, hat die Polizei endlich ihren roten Faden, an dem sich nach und nach in mühevoller Kleinarbeit ein Detail nach dem anderen entwickelt, aus dem schließlich ein einigermaßen stimmiges Bild entsteht: Im Hintergrund der beiden Todesfälle, die sich als Morde erweisen, steht eine Gruppe rassistischer Weißer, die sich zu einer Geheimorganisation zusammengefunden hat. Das Ziel der Organisation ist es, den Rassenkrieg zu erklären, zugleich machtvoll in Erscheinung zu treten und die Ansprüche der weißen Rasse durchzusetzen.

Dem Leser ist das recht schnell klar, denn McDowall führt parallel zur Ermittlungsgeschichte zwei Handlungsstränge ein, die Ursachen und Täter schnell identifizieren: Die rassistischen Untergrundkämpfer haben in Darren ein willkommenes Opfer gesehen. Aber erst der zweite Strang, in dem die Geschichte der Freundin Darrens erzählt wird, lässt mehr und mehr vom eigentlichen Motiv erkennbar werden. Denn hinter dem nationalistischen Gebrüll macht McDowall höchst egoistische Motive erkennbar: Geld und Macht. Da ist der alte (weiße) Liebhaber, der keinesfalls tolerieren will, dass seine Ex-Freundin mit einem Schwarzen zusammen ist. Da ist der Unternehmer, der einen begehrlichen Blick auf das Haus seines Nachbarn geworfen hat und dem jedes Mittel recht ist, an das Objekt seiner Begierde zu kommen.

Diese Konstruktion sei McDowall nicht einmal vorgeworfen. Immerhin hat er deutliche didaktische Absichten, und angesichts der sich allzu lautstark bemerkbar machenden Hooligan- und Neonaziszene sind solche Absichten ehrenwert (obgleich ein Koks schnupfender Roland Schill den großmäuligen Vertretern der harten Linie mehr ins Kantor schlägt als jeder Krimi). So sei denn dieser Krimi aufklärend, didaktisch wertvoll und leidlich stringent erzählt. Und dafür soll er auch Lob erhalten.

Dennoch leidet er zugleich an diesen Absichten. Zu bieder ist die Geschichte, zu langatmig ihre Entwicklung, und zugleich zu offensichtlich sind ihre Absichten, zu klar sind die Stränge, an denen sich die Handlung entlang hangelt, zu wenig erwartet man als Leser, je weiter man sich durch die Seiten quält. Es gibt keine Überraschungen, keine unvorhergesehenen Verwicklungen, keine Grauzonen, aus denen heraus klarer würde, weshalb sich eine neonazistische Denkweise überhaupt entwickeln kann. Nun muss ein Krimi nicht die Welt erklären, es sei denn, das wäre seine Absicht. Und McDowall tut zumindest so, als ob das so wäre. Dann muss er sich auch daran messen lassen - und daran, wie er es tut.


Titelbild

Iain McDowall: Zwei Tote im Fluss.
Übersetzt aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence.
dtv Verlag, München 2008.
379 Seiten, 9,95 EUR.
ISBN-13: 9783423210041

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