Framenscher ohne Mannsleit

Clara Viebigs naturalistischer Eifelroman "Das Weiberdorf" wurde neu aufgelegt

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Männer des Dörfchens Eifelschmitt müssen sich nach dem Deutsch-französischen Krieg 1870/71 fast das ganze Jahr über im boomenden Ruhrgebiet verdingen, denn nur dort ist es ihnen möglich, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Doch können sie nur ein kleines Sümmchen ansparen, mit dem sie ihren zurückgebliebenen Frauen das karge Dasein etwas erleichtern, wenn sie zweimal jährlich für jeweils zehn Tage ins heimatliche Dorf zurückkehren - einmal im Sommer und einmal zur Weihnachtszeit. Dann herrscht Freude unter den Frauen und es wird fast die gesamten zehn Tage durchgefeiert. Denn die Sehnsucht der "Framenscher" nach den "Mannstleit" ist allzu groß, war doch das 35-jährige Pittchen - abgesehen von ein paar hinfälligen Alten - über all die langen Monate hinweg so ziemlich der einzige Mann inmitten eines "Rudel[s] junger Weiber".

Ebenso wie der Titel des Romans "Das Weiberdorf" ist eine solche Konstellation dazu angetan, eine leichte Komödie um den sprichwörtlichen Hahn im Korb zu erwarten. Doch ist Clara Viebig weit davon entfernt, eine solche aufzuführen; auch nicht eine - ebenfalls denkbare - Tragödie. Vielmehr hat sie mit ihrem 1900 erschienenen "Roman aus der Eifel" ein Stück guter naturalistischer Literatur vorgelegt, das von beidem ein wenig bietet, mehr noch aber eine ganz und gar unaufdringliche Kritik an den Umständen, die ihre Figuren zu ihren nicht immer glücklichen und ehrenwerten Handlungen antreiben.

So recht züchtig leben die Frauen während der langen Monaten ohne ihre Männer nicht. Pittchen wird mehr als nur umschwärmt, und es werden wohl nicht nur Küsse mit ihm ausgetauscht. Ebenso wenig wie mit einem durchziehenden Handelsreisenden oder einem Gendarmen aus der Umgegend. Bei den meisten Amouren ergreifen die Frauen die Initiative, insbesondere wenn sie Pittchen umschmeicheln. Sie führen also ein Dasein, das zur Zeit der Publikation des Romans als recht sittenlos galt. Für die katholische Kirche seinerzeit Grund genug, das Büchlein auf den Index zu setzen. Doch ist hierfür auch ein weiterer Grund nicht auszuschießen. Denn die Kleriker dürften die Rolle ihres Vertreters vor Ort kaum goutiert haben. Zwar sind die Frauen in Eifelschmitt allesamt gottesfürchtig, doch der behäbige und selbstgefällige Pastor des Dorfes hat für ihre Nöte kein Ohr und macht auch sonst nicht eben eine sonderlich gute Figur.

Die Handlungszeit von Viebigs kleinem aber vielleicht bekanntesten Roman umfasst ein Jahr. Von Sommerbesuch zu Sommerbesuch. In diesem Jahr ist alles wie immer und doch passiert mehr und aufregenderes als wohl je zuvor in dem kleinen Ort. Denn der Geschlechterkampf, der nicht nur zwischen dem einen Mann und den vielen Frauen tobt, sondern mindestens ebenso sehr unter letzteren und auch schon mal zu eifersüchtigen Handgreiflichkeiten führen kann, bildet den Hintergrund für den eigentlichen Handlungsstrang, der Pittchen, ermuntert von der leichtfertigen Hoffnung auf schnellen Reichtum und geplagt von tiefen Gewissensbissen, zum Falschmünzer werden lässt. Den Ausschlag für den Beginn seiner kriminellen Karriere aber bildet die Aussicht, mit dem Geld eine junge Mutter retten zu können, die im Kindbett zu sterben droht.

Zwar ist der Dialekt, in dem die Autorin ihre Figuren reden lässt, etwas gewöhnungsbedürftig, doch liest man ihn nach einigen Seiten schon recht flüssig, und dann bildet der Roman eine leichte, unterhaltsame und auch spannende Lektüre, die ihn noch immer nicht nur für literarhistorisch interessierte GermanistInnen lesenswert machen. Darum ist dem kleinen Rhein-Mosel-Verlag - und der Clara-Viebig-Gesellschaft - dafür zu danken, dass Viebigs "Roman aus der Eifel" (wie auch einige andere der Autorin) wieder zu erwerben ist. Und das zu einem ungewöhnlich günstigen Preis.


Titelbild

Clara Viebig: Das Weiberdorf. Roman aus der Eifel.
Mit einem Nachwort von Hermann Gelhaus.
Rhein-Mosel-Verlag, Alf/Mosel 2007.
184 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783898010153

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