Der Weg ist das Ziel

In Maren Kiepsels Kinderbuch suchen vier Tiere nach dem Glück

Von Fabian KettnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Fabian Kettner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Viele haben es schwer im Leben. So auch die Schildkröte, aber sie will es wagen und macht sich auf die Suche nach dem Glück. Sie ist unglücklich, denn sie ist alleine, weil sie den anderen körperlich wie geistig zu langsam ist. Ähnlich ergeht es auch den anderen Tieren, denen sie auf ihrer Reise nach und nach begegnet und die sich ihr anschließen. Der Igel ist vielen zu stachelig, der Maulwurf kann nicht alleine das Glück suchen, weil er blind ist und der Hase ist zu ungeschickt.

So sind sie also zusammen unterwegs. Auf dem Weg lernen sie sich kennen und mögen, und sie wachsen zusammen. Sie haben ein greifbares Ziel: die Schildkröte weiß von einem großen, dunklen Wald, in dem sich eine Schatztruhe befindet, in der man das Glück finden kann. Sie finden den Wald und in ihm die Truhe - aber die Truhe ist leer.

Sie haben das Glück nicht gefunden - aber ihr Glück. Denn die vier Tiere merken, dass sie eine glückliche Zeit miteinander verbracht haben, und deswegen wollen sie auch weiterhin zusammen durch die Welt ziehen. Die Geschichte wandelt also ein bekanntes Motiv ab: der Weg ist das Ziel. Auf dem Weg gewinnt man nach und nach unbemerkt das, was man am Ziel als ganzes auf einmal einzuheimsen wünschte. Dort angekommen ist man aber enttäuscht, weil man auf eine falsche Vorstellung von Glück fixiert war; bis man merkt, dass man das, was man zu finden hoffte, inzwischen unbemerkt längst erfahren hat. Das Glück 'hat' man nur indirekt, es ist etwas Unmittelbares, kann also nicht direkt angegangen werden. 'Das Glück' gibt es nicht, es ist kein Gegebenes, Gegenständliches. "Man glaubt", so Theodor W. Adorno am Ende der "Negativen Dialektik", "wenn man hingeht, so wäre man in dem Erfüllten, als ob es wäre. Ist man wirklich dort, so weicht das Versprochene zurück wie der Regenbogen. Dennoch ist man nicht enttäuscht; eher fühlt man, nun wäre man zu nah, und darum sähe man es nicht." Es ereilt einen. Man bemerkt es, wenn es da ist, respektive war, merkt aber nicht, wie und dass es auf einen zukommt.

Das Buch erzählt all dies und zeigt die Suche der vier Gefährten in für ein Kinderbuch - erfreulich - ungewohnten Bildern. Wie ein Gemälde erstrecken sie sich meist über zwei der großformatigen Seiten. Die einsam losziehende Schildkröte wandert im Morgenrot, welches die gesamte Landschaft entflammt zu haben scheint, einen Fluss entlang, in welchem sich die Häuser vom Ufer gegenüber spiegeln. Gemäldehaft, nahezu museal ist auch der Zeichenstil. Manchmal brauchen die Gestalten ein wenig, bis sie sich vom Hintergrund lösen. Dies ist nicht nur sehr schön, sondern auch sehr gut, wenn man den Sehgewohnheiten seiner Kinder mal ein wenig Abwechslung gönnen möchte.


Titelbild

Maren Kiepsel: Die vier Glückssucher.
Mit Illustrationen von Barbara Rzepa-Leichsenring.
atlantis - orrell füssli verlag, Zürich 2008.
32 Seiten, 13,90 EUR.
ISBN-13: 9783715205526

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