Alter Zombie in neuen Kleidern

Stefan Bonner und Anne Weiss beschwören die "Generation Doof"

Von Martin SpießRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Spieß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ach ja! Da macht das Herz des passionierten Kulturwissenschaftlers doch einen Sprung, der sogar Mike Powell imponieren würde, wenn da so munter symptomatisiert wird, dass die Schwarte kracht: Subgenerationen wohin man auch sieht. Nach langen Jahren "Generation X" und noch längeren Jahren Generationslosigkeit eröffnete Florian Illies den Reigen im Jahr 2000 mit der "Generation Golf". Katja Kullmann legte 2002 mit "Generation Ally" nach, und DER SPIEGEL nahm eine ZEIT-Überschrift von 2005 zum Anlass, die "Generation Praktikum" auszurufen.

Dabei ist man über so manchen Trend ganz froh, wenn er sich nach etlichen Remodelings endlich zur letzten Ruhe bettet. Es scheint aber immer wieder unbelehrbare oder nekrophile Totengräber zu geben, die die nicht ganz zu Staub Zerfallenen aus der Gruft zerren und sie in ein neues Gewand kleiden. Neuester Fall: Stefan Bonner und Anne Weiss. Die Bastei Lübbe-Lektoren haben gerade im selben Verlag das Buch "Generation Doof. Wie blöd sind wir eigentlich?" herausgegeben. Darin beschwören die beiden die "Generation Doof", einen Zusammenschluss aller Post-68er-Kinder, die mit Postmoderne, Multimedia und - Ach und Weh - ohne Wissen aufgezogen und in die große weite Welt geschickt wurden.

Die "Generation Doof" zeichnet sich in all ihren Lebensbereichen durch ihre Intelligenzferne aus: Ob im Beruf, beim Sex und in Beziehungen, bei der Kindererziehung und natürlich im Alltag. Der besteht laut Aussage der Autoren nur aus Fernsehkonsum, und dass die Kulturindustrie nichts Gutes im Schilde führt, das wissen wir ja schließlich seit Theodor W. Adorno. Überall also, so Bonner und Weiss, ist Hirnleere angesagt: Wenn es um bedeutungslosen Sex geht, wenn Eltern ihre "Kinder vor dem Fernseher parken" oder wegen mangelnder Qualifikation als Beruf nur ein Praktikum nach dem anderen oder beim Vorstellungsgespräch die Vorspiegelung falscher Tatsachen bleibt. Deutschland geht intelligenztechnisch vor die Hunde, da sind sich die Autoren einig. Ihre Lösung ist so banal wie redundant: Weniger Fernsehen und mehr Holzspielzeug, mehr Mozart und weniger Bohlen.

Damit das Buch aber nicht ganz so belehrend daher kommt, machen sich Bonner und Weiss selbst zu Angehörigen der "Generation Doof". Weiss ist studierte Kulturwissenschaftlerin und aus einem medienwissenschaftlichen Einführungsseminar weiß sie wohl noch, dass dem Rezipienten Empathie mit dem Produkt und seinem Hersteller wichtig sind: Wieder-Erkennung ohne große Anstrengung. Die Rechnung der beiden geht jedoch nicht auf. Denn es wirkt nicht nur schlicht peinlich anbiedernd, sondern auch höchst unglaubwürdig, wenn da zwei vom Untergang des Abendlandes lamentieren und sich im selben Augenblick zum Teil des Problems machen.

Es wirkt aber vor allem in einer Weise arrogant, deren Abartigkeit mit Worten kaum zu benennen ist: "Wir sind zwar Teil der Generation Doof, aber wissen, wie man schlau wird. Ihr da unten könnt das auch!" Es macht aber noch etwas anderes klar, und das ist Bonners und Weiss' Methode. SPIEGEL ONLINE etwa fragte sie im Februar, ob die "frischgebackene Schönheitskönigin, die ihre Heimat auf der Landkarte nicht einzeichnen kann, wirklich typisch für eine ganze Generation [ist] - und nicht nur ein Klischee". Darauf die Autoren: "Wir haben das in unserem Freundeskreis immer wieder ausprobiert. Jeder konnte auf Anhieb eine Handvoll Beispiele für Mitglieder der 'Generation Doof' nennen."

Wenn das Abendland nur zwei Straßen weiter untergeht, muss die letzte Bastion der Intelligenz von engagierten Deutschen verteidigt werden. Wenngleich die Verteidiger lediglich zwei unersättliche Nekrophile sind, die dem guten alten Zombie "Generation" ein neues Gewand verpasst haben.


Titelbild

Stefan Bonner / Anne Weiss: Generation Doof. Wie blöd sind wir eigentlich?
Bastei Lübbe, Bergisch Gladbach 2008.
300 Seiten, 8,95 EUR.
ISBN-13: 9783404605965

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch