Gespräche unter Männern

Frank Schäfers "Zehn Visiten bei Schriftstellern"

Von Nicole SchmidtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nicole Schmidt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Die Zugchefin muss sich während ihrer langen, entbehrungsreichen Ausbildung ein paar Mark als Synchronisationsmäuschen für Softpornos dazuverdient haben, so engagiert kiekst und stöhnt sie ihre Mitteilungen ins Bordmikro", beginnen diese aufgezeichneten Gespräche, aber auch: "Max Goldts Texte sind vor allem Stilübungen. Seit über fünfzehn Jahren perfektioniert er nun sein elegantes Plauderparlando, das bei aller auch bisweilen ziemlich handgreiflich-burlesken, grotesken Komik nie ganz diesen vornehmen, fast aristokratischen Tonfall verliert. Das liest sich manchmal so, als wolle er die großen Feuilletonisten vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts beerben: Alfred Polgar, Alfred Kerr, Peter Altenburg, Victor Auburtin und so weiter."

Dieser Kommentator versteht sein Handwerk. Er ist ein Anhänger der beiläufigen Version des Namedroppings, und er weiß seine Gesprächspartner und sich selbst in Szene zu setzen, gerade wenn er so tut, als ob er der Situation ausgeliefert wäre: "Wir gehen in sein Zimmer, er legt sich aufs Bett, zündet sich eine Nil an, bestellt beim Zimmerservice Wasser, Kaffee und Kuchen, und als die junge Hotelfachfrau kurze Zeit später klingelt, komme ich mir vor wie ein Strichjunge - und vielleicht soll ich mir auch so vorkommen." schreibt Frank Schäfer in seinem Text über Wolf Wondratschek.

Da ist also nicht nur ein guter Schreiber, da ist auch erkennbar ein Mann am Werk. Und was die zehn Texte in dem Buch, die zunächst in gekürzter Fassung im "Rolling Stone" erschienen, miteinander verbindet, ist über den eigenen Ton und das durchscheinende Interesse am Menschen und am Werk gleichermaßen hinaus die Männlichkeit, die förmlich aus den Zeilen duftet. Keine Frau könnte auf diese Art Interviews führen, Frauen könnten so auch gar nicht interviewt werden, und erst recht würde keine Frau so darüber schreiben. Da ist eine männliche Klüngelei zu spüren, eine Bruderschaft im Geiste, die an manchen Stellen zu bemüht wirkt, gleichzeitig die Texte jedoch gerade interessant macht. Denn tatsächlich scheint es sich zum Teil um Gespräche unter guten Bekannten in der Kneipe zu handeln, und wenn der Autor in seinem Nachwort schreibt: "Dass ich mit dem einen oder anderen weiterhin - und bisweilen sogar freundschaftlichen - Kontakt pflege, ist mir mehr wert als die Texte selbst und dieses Buch", so nimmt man ihm das, was vor dem Lesen noch einen kleinen Schleier der Anbiederung mit sich trägt, nach der Lektüre sogar ab.

Und es sind interessante Gesprächspartner, die Frank Schäfer da in seinem schmalen Büchlein versammelt hat, Menschen, die nicht nur Kunst produzieren können, sondern darüber hinaus auch etwas zu sagen haben. Die Mischung aus Berühmtheiten in jedem Kreis, Beinahe-Berühmtheiten und Berühmtheiten in einem bestimmten Kreis könnte er sich bei der Interview-Zeitschrift "Galore" abgeguckt haben. Entstanden ist ein schmales Büchlein, das man in die Hand nimmt, um Stunden später festzustellen, dass man es immer noch nicht weggelegt hat, denn zu abwechslungsreich und interessant ist das zu Lesende: Wolf Wondratscheks frühe Gedichte sind da Thema, Eugen Egners Katze, die Entstehung des Titels von Helge Schneiders Buch "Aprikose, Banane, Erdbeer" und das anschließende Eisessen, Ludwig Lugmeiers frühe literarische Sozialisation respektive die Folgen ihres Ausbleibens und auch die Schwierigkeiten, Harry Rowohlt zu einem Interview zu bewegen.

Frank Schäfer ist ein unaufdringlicher, guter Beobachter, dessen Interviews gelingen, weil er sich nicht monatelang durch Vorrecherchen quält, sondern offensichtlich selbst großen Spaß daran hat, sich mit den Interviewten und ihren jeweiligen Produkten auseinanderzusetzen. An einer Stelle zitiert er einen Ausspruch Max Goldts über "junk journalists": "Unter ihrer Elendigkeit, ihrem Wissen, dass sie letztendlich doch nur das Altpapier von übermorgen produzieren, heimlich leidend, zerren sie alles, was vielleicht ein wenig herausragt, auf ihre eigene Durchschnittlichkeit herunter." Da wird ganz deutlich: Frank Schäfer gehört nicht dazu. Er lässt dem Interviewpartner, der hier wirklich Partner ist, Raum und Größe, ohne jedoch sich selbst dafür klein machen zu müssen. Da spricht Mann zu Mann - und wer das gerne liest, dem sei die Sammlung empfohlen.


Titelbild

Frank Schäfer: Homestories. Zehn Visiten bei Schriftstellern.
Textem Verlag, Hamburg 2008.
147 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783938801338

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