Viel Lärm um nichts

Charlotte Roches konservativer Arztroman "Feuchtgebiete"

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Um es gleich vorwegzunehmen: Charlotte Roches Roman "Feuchtgebiete" ist sündig. Mehr noch, er begeht eine Todsünde. Eine literarische jedenfalls, denn er langweilt. Auch wenn man, das sei gerne eingestanden, zwei, drei Mal sogar schmunzeln muss. Doch das alleine kann das Buch auch nicht retten.

Seine Heldin ist ein Mädchen namens Helen Memel, das vorgibt, bereits achtzehn Jahre alt zu sein, was man ihr allerdings kaum abnehmen mag. Dazu wirkt sie einfach zu unreif. Ansonsten gibt es über diese Figur, die flach oder eindimensional zu nennen allzu schmeichelhaft wäre, da sie ganz auf den Nullpunkt ihrer eigenen Person fixiert ist, nicht allzu viel zu sagen. Auch die Handlung des Büchleins ist schnell zusammengefasst. Was nicht zuletzt daran liegt, dass es gar keine hat. Oder fast keine. Die Protagonistin zieht sich durch eine Ungeschicklichkeit eine Verletzung zu, die eine Operation inklusive längerem Krankenhausaufenthalt erfordert. Dort liegt sie nun und sinnt - vornehmlich über sich selbst - vor sich hin, wenn sie nicht gerade über ihre somatischen Leiden klagt. Aber wer möchte sich schon 200 Seiten lang die Gebrechen anderer Leute vorjammern lassen. Ebenso wenig unterhaltsam sind die ausufernden Schilderungen ihrer Hygienegewohnheiten, die man schwerlich Körperpflege nennen kann. Und auch der Versuch, das Buch durch die Intimfantasien seiner Protagonistin aufzupeppen, geht gründlich schief. Kann die Ich-Erzählerin doch nicht anders, als technisch von ihnen zu erzählen und bewegt sich so zwar zwischen den Boudoir-Dialogen eines gewissen Gefangenen der Bastille im 18. Jahrhundert und den biederen "Helga"-Filmen eines Partnerschaftstherapeuten der 1960er-Jahre, jedoch weitab jeglicher Erotik. Trotz der mal rüden, mal kleinmädchenhaften Worte bleiben die Fantasien aseptisch wie ein Siechenhaus. Selbst, wenn sich jemand für derlei erwärmen können sollte, dürfte die ständige Wiederholung des Immergleichen auf die Dauer schließlich auch ihn ermüden.

Eingewoben sind einige konservative Botschaften aus der Welt von vorgestern. Da werden etwa angestaubte Biologismen über das Verhältnis der Geschlechter zueinander ventiliert, die vermeintlich heile Welt der Vater-Mutter-Kind-Familie propagiert und Scheidungskinder als verhaltensgestört dargestellt. Derlei ist wenig dazu angetan, das Lesevergnügen zu steigern.

Ebensowenig der Ton, den das Buch anschlägt. Man kann ihn auch nicht unbedingt als Rollenprosa durchgehen lassen, unterscheidet er sich doch nicht wesentlich von dem Jargon, den Roche vor einigen Jahren als Viva-Moderatorin pflegte. Dort mag das ja funktioniert haben. Nur eben nicht in einem Buch.

Wenn der Roman aber so langweilig ist, wie er ist, wie ist dann sein immenser Verkaufserfolg zu erklären? Die Schuld wird man wohl in der großaufgezogenen Vermarktungsstrategie seiner Autorin suchen müssen, die es als Medienprofi versteht, die Klaviatur des Boulevards und der schillernden Blätter fachkundig zu bedienen. Ein Propagandaerfolg mithin.


Titelbild

Charlotte Roche: Feuchtgebiete. Roman.
DuMont Buchverlag, Köln 2008.
220 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783832180577

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