Film und Körper im Fokus

Thomas Elsaessers und Malte Hageners ambitionierte "Filmtheorie zur Einführung"

Von Martin RichlingRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Richling

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Einführungen in so komplexe und weit verzweigte Themenbereiche wie die Filmtheorie stellen deren Verfasser vor die kaum zu lösende Aufgabe, die verzweigten Argumentationslinien einzelner Denker so exakt wie möglich, aber dennoch kompakt und gerafft wiederzugeben. Darüber hinaus werden die Autoren nicht selten in der Zuordnung zu einer einzigen theoretischen Ausrichtung wie dem Realismus oder dem Formalismus in eine Schublade gesteckt, die dem oftmals weit komplexeren Gesamtwerk nicht entspricht. Der Hang zur vereinfachenden Systematisierung des 'Einführungsgenres' führt, wie die Autoren dieses Bandes in der Einleitung erkennen, oftmals zu normativen, sich vermeintlich historisch linear fortbewegenden Konstruktionen. Unter anderem hierdurch stellen diese Bücher meist schon auf formaler Ebene ihren Lehrbuchcharakter derart aus, dass sie für eine Leserschaft außerhalb sich am Anfang ihrer Campuskarriere befindenden Studenten gänzlich uninteressant werden.

Das Großartige an Elsassers und Hageners Einführung ist, dass all dies hier nicht geschieht. Mit dem Rückgriff auf das Themenfeld 'Film und seine Beziehung zum (Zuschauer-)Körper', welches sich explizit oder implizit in nahezu jedem Theorem zum Film wiederfindet, wurde ein geeigneter Leitfaden gefunden, der die einzelnen Zweige der Filmtheorie sicher verbindet und durch ihr zuweilen labyrinthartiges Geflecht hindurchführt. Nahezu alle bekannten und auch weniger bekannten Vertreter der klassischen und modernen Filmtheorie werden in dieser Einführung thematisiert - wenn man sie auch manchmal suchen muss. Die sieben Kapitel sind mit Titeln wie "Fenster und Rahmen", "Spiegel und Gesicht" oder "Geist und Gehirn" überschrieben, die den bloß eine kurze Information, ein schnelles Urteil über ein Werk, einen Autor oder eine theoretische Ausrichtung suchenden Leser ebenso abschrecken mögen wie sie den ambitionierten Leser neugierig machen.

Etwa im ersten Kapitel "Fenster und Rahmen" werden die auf den ersten Blick historisch und thematisch so weit von einander entfernt stehenden Leo Baudry, Rudolf Arnheim, André Bazin und David Bordwell nicht nur unter dem Aspekt des Filmbildes als Fenster oder Rahmen sinnvoll in Bezug zu einander gesetzt, sondern man erfährt über diesen Gesichtspunkt hinaus einiges mehr zum Werk der Autoren. Ähnlich wie auch in dem von Jürgen Felix herausgegebenen Sammelband "Moderne Film Theorie" ist auch hier in jedem Kapitel ein Filmbeispiel zu finden.

Anders jedoch als im erstgenannten Buch dienen die Filmbeispiele nicht nur dazu, den Gebrauchswert der jeweiligen Theorie in der Filmanalyse zu zeigen. Im ersten Kapitel etwa bieten die Ausführungen zu Alfred Hitchcocks "Rear Window" den Ausgangspunkt für die dann folgenden Überlegungen, zeigen die tiefe Verbundenheit und gegenseitige Durchdringung von Bild und Reflexion, von Praxis und Theorie. So kann nicht nur auf elegante Weise dem beliebten Vorurteil, die Theorie habe keinen Bezug zur Wirklichkeit der Filme selbst, der Boden entzogen werden - sondern es entsteht darüber hinaus auch eine argumentative und literarische Dichte, die das Buch weit über Gestus und Gebrauchswert des "Einführungsgenres" hinaushebt.


Titelbild

Malte Hagener / Thomas Elsaesser: Filmtheorie. Zur Einführung.
Junius Verlag, Hamburg 2011.
250 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783885066217

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