Langhans im Glück?

Auch Rainer Langhans erinnert sich

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Keine Frage, niemand muss Rainer Langhans mögen. Diese sich sanft bewegende, freundlich lächelnde Mediengestalt, die mehr durch ihre Münchner Einzimmerwohnung zu schweben scheint als real zu sein. Jener Rainer Langhans, der mit Uschi Obermaier das Traumpaar der Spät-68er bildete und zugleich deren dezidiertes Hassobjekt, der damals, in jenen ereignisreichen Jahren für die Befreiung der Sexualität stand, gar als Lustmaschine galt. Der mit den damaligen Größen des Rock-Pop-Geschäfts befreundet war, zumindest ein bisschen, mit Amon Düül, Jimi Hendrix oder Mick Jagger. Der zur berühmten Kommune I gehörte, dem Establishment auf dem Kopf herumtanzte, gelegentlich auch mit Andreas Baader. Der Krollekopf, der Popstar, der Filme- und Medienmacher, der unter anderem mit Rainer Werner Fassbinder zusammenarbeitete (bei "Welt am Draht", ein wunderbar verrückter SF-Klassiker aus dem Jahr '73). "Eso-Faschist" hat ihn Jutta Ditfurth genannt (die es gerade nötig hat), und ist dabei nicht die einzige, die gegenüber dem sanften Langhans vom Leder zieht: Sogar verprügelt worden ist er zum Abschluss seiner Kommune-I-Karriere, und zwar weil er die Bewegung an den Kommerz verraten und kräftig Mammon kassiert hat, ohne es ebenso zu sozialisieren wie seinen Sexualapparat.

Man mag es kaum sagen, Langhans hatte ein bewegtes Leben, wirkt dabei aber immer, auf den Fotos, die es von ihm gibt und in seinen Erinnerungen, die jetzt erschienen sind, wie Langhans im Glück, der das, was er hat, immer mit etwas anderem eintauscht, das zwar für andere weniger wert sein mag, mit dem er selbst aber glücklich zu sein scheint. Das ist, bei all dem Widerspruch und all den Attacken, die er auf sich gezogen hat und zieht, immerhin erstaunlich.

Dass es nun, vierzig Jahre nach 1968 auch Langhans nicht lassen kann, seine Erinnerungen an die "ersten 68 Jahre" (welch schöner Zufall) zu veröffentlichen, ist vielleicht weniger seinem eigenen Antrieb als dem des Blumenbar Verlags geschuldet, der anscheinend einige Anstrengungen unternommen hat, um Langhans zum Reden zu bringen (auf dass die Aufnahmen dann jemand anders abschreibe und bearbeite). Herausgekommen ist ein schmaler, poppig aufgemachter Band, der eben nicht nur Rechtfertigungsschrift ist (ob der Anfeindungen, die Langhans hat hinnehmen müssen), sondern auch die Position klarer macht, die Langhans im Gefüge der '68er eingenommen hat.

Der Autor ist, wie es scheint, ein notwendiges Verbindungsstück zwischen der politischen Revolte, der Selbstbefreiung einer Gesellschaft und ihrer popkulturellen Oberfläche. Der bildungsbeflissene und einigermaßen ahnungslose junge Mann, der bei der Bundeswehr gerne geschossen hat und aus der Provinz nach Berlin kommt, um dort zu studieren, der Beziehungsprobleme hat, wie sie eher allgemein sind, gerät Mitte der 1960er-Jahre in den Sog der beginnenden Studentenrevolte, in den Argument-Kreis, in den SDS, in die Kommune I, in das Puddingattentat, in die Proteste gegen den Schahbesuch, in die Fraktionskämpfe zwischen Polit-, Pop- und Drogenszene, in den Niedergang der Bewegung und schließlich irgendwie nach München. Immer gerät er, immer schaut er eigentlich nur zu, was er selbst betreibt (so es schließlich nicht Sex ist: dass Langhans die "Streicheleinheiten" erfunden haben will, ist immerhin einschlägiges Vokabelverdienst genug), bleibt immer nur Stückwerk, unvollständig, unklar und diffus.

Wie im Grunde seine Erinnerungen auch. Sie sind gehalten wie die Erinnerungen des Großvaters, der sich kaum noch ins Gedächtnis rufen kann, wie das damals war, der vor allem seine eigene Hilflosigkeit, ja vielleicht auch den Mangel an eigenem Antrieb vor Augen hat als die Details der damaligen Aktionen.

Das war alles irgendwie, irgendwo und irgendwann. Das "Du, hör mal, Du", klingt aus allen Sätzen (auch wenn Langhans solche Wendungen nicht einmal verwendet, sondern im Ton bleibt von: "Mein Verhältnis zu Dieter Kunzelmann war sehr wichtig für mich.") Was wo und wann und mit wem genau passiert ist, das erfährt kein Leser aus diesen Erinnerungen. Soll heißen: Als Zeitzeuge ist Langhans nicht zu gebrauchen, was ja auch sein Bilderbuch zeigt, das er mit Christa Ritter im selben Verlag herausgegeben hat. Das mag nun den Spott weiter antreiben, zumal Langhans nicht nur frühe Tagebuchaufzeichnungen im Anhang mit liefert, sondern auch seine esoterische Wende ausführlich genug erläutert. Nicht jedermanns Sache, dieser Mann, und auch diese Erinnerungen. Aber andererseits: Warum nicht auch er?


Titelbild

Rainer Langhans: Ich bin's. Die ersten 68 Jahre. Autobiographie.
Blumenbar Verlag, München 2008.
256 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-13: 9783936738346

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