Krisenmänner

Uta Fenske untersucht anhand von Hollywoodfilmen Männlichkeitskonstruktionen der 1950er-Jahre

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"What can you do when you have to be a man?" fragt Jim seinen Vater Mitte der 1950er-Jahre in dem Film "Rebel Without a Cause". Uta Fenske greift diese Frage ein halbes Jahrhundert später auf und setzt ihrer Arbeit das Ziel, anhand von Hollywoodfilmen der ersten anderthalb Dekanden nach dem Zweiten Weltkrieg, die Frage zu beantworten, welche Bedeutungen Mann-Sein in diesen Jahren haben konnte. Mit ihrem Buch möchte die Autorin "die möglicherweise widersprüchlichen, miteinander streitenden lauteren und leiseren Genderdiskurse" des untersuchten Zeitraums nachvollziehen und zugleich dazu beitragen, "die Spannung zwischen Film und Geschichtswissenschaft zu lockern."

Indem sie zur Beantwortung einer kulturgeschichtlichen Frage ausschließlich auf Quellenmaterial setzt, das fiktive Geschichten erzählt, hat die Historikerin ganz unabhängig von der Ausführung ihres Vorhabens schon mal einen originellen und bislang kaum beschrittenen Zugang zu der Fragestellung gefunden. Daher stellt sie ihrer eigentlichen Untersuchung einige "grundsätzliche Überlegungen zum Kinofilm als historische Quelle" voran. Indem sie Spielfilme als "Schnittstelle" begreift, die verschiedene Diskurse miteinander verbindet und "in künstlerisch verschlüsselter Weise" durcharbeitet, platziert sie ihre Untersuchung selbst auf einer solchen Schnittstelle, nämlich derjenigen zwischen Geschichts-, Kultur- und Filmwissenschaft. Hinzu tritt als viertes die Literaturwissenschaft, der Fenske nach eigenem Bekunden den "narratologische[n] Zugriff" auf die filmischen "Erzählweisen" verdankt.

Der Untersuchungszeitraum ergibt sich aufgrund zweier nachvollziehbarer Überlegungen zu dessen Anfang und Ende. Da in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg ein durch die Demobilisierung und Rückkehr der Soldaten, den aufbrechenden Kalten Krieg und den wirtschaftlichen Aufschwung bedingter "Prozess des sozialen Umbruchs" einsetzte und sich politische und soziale Spannungen in solchen Phasen des gesellschaftlichen Wechsels insbesondere in den "Schnittstelle[n]" Sexualität und Gender "manifestieren und entladen", war es sinnvoll, den Untersuchungszeitraum mit dem Ende des Krieges beginnen zu lassen. 1960 endet er, da Männlichkeiten mit der Wahl John F. Kennedys und dem von ihm angekündigten "Aufbruch zur New Frontier" der Autorin zufolge ein "neuer Horizont geöffnet" worden sei.

Zur näheren Untersuchung hat Fenske annähernd zwanzig Filme ausgewählt, die sie close readings unterzieht - unter ihnen sowohl kanonisierte Kassenschlager wie auch längst vergessene B-Movies. Aus den insgesamt recht überzeugenden Einzelanalysen stechen einige wie etwa die von "Key Largo" (1948), "The Fountainhead" (1949), "The Magnificient Seven" (1960) besonders hervor. Auch die Analyse des Films "Tea and Sympathy" (1956) ist hier zu nennen, der Fenskes Analyse zufolge "offenkundig" macht, "dass Gender performativ ist", und der "den Sprechakt der Verleumdung und üblen Nachrede" thematisiere.

Fenske beleuchtet die einzelnen Männlichkeitsklischees und -rollen "genreübergreifend", denn die "Idealvorstellung unabhängiger Männlichkeit" könne ebenso anhand eines Melodrams, eines Kriegsfilms oder eines Social-Problem-Films aufgezeigt und untersucht werden. Gerade diese Zusammenstellung in der Forschung bislang nur getrennt untersuchter Filme verschiedener Genres ermögliche "interessante Erkenntnisse". Für ein Forschungsvorhaben, das auf die Beantwortung einer bestimmten Frage zielt, Filme verschiedener Genres heranzuziehen, ist nach dem Vorhaben, Spielfilme für die Geschichtsforschung nutzbar zu machen, die zweite originelle Entscheidung der Autorin - und ebenso erkenntnisstiftend.

Fenskes Gender-Konzept fußt vorrangig auf den Überlegungen Judith Butlers, doch greift sie auch auf Robert Connells Konzept hegemonialer Männlichkeit zurück. Der Begriff "Mann" bezeichnet in der vorliegenden Arbeit den "männlichen Körper, als den Ort der Teile der sich im Umlauf befindlichen Diskurse über Männlichkeit". Unter diesen Vorgaben analysiert Fenske die Filme "auf der Folie dessen, welche Funktionen die Rede über eine Krise erfüllen kann". Indem die Diskurse des Untersuchungszeitraums das "dominante Männlichkeitsmodell", mithin also "die bürgerliche weiße, christliche, heterosexuelle Männlichkeit der Mittelklasse" als krisenhaft behaupteten, forderten sie der Autorin zufolge implizit deren Wiederherstellung und Stabilisierung. Denn der Begriff der Krise sei "längst nicht nur deskriptiv", sondern konnotiere eine "Bewertung der Ereignisse", die auf die "Rehabilitierung der alten Ordnung" ziele. Daher versteht Fenske den "Krisenbegriff" als Ausdruck der "Angst vor 'Verschiebungen in der Geschlechterkonstellation'", stellt selbst jedoch nicht die "Wieder- bzw. Neuherstellung alter Ordnungen" in den Vordergrund, sondern fasst die Krise der hegemonialen Männlichkeit zugleich als "Chance" der seinerzeit "subordinierte[n] Männlichkeiten".

Zwar mussten sich Regisseure und Produzenten in den 1950er-Jahren mit der Production Code Administration (PCA) herumschlagen, die etwa nicht gestattete, dass Ehebruch positiv dargestellt oder Homosexualität auch nur thematisiert wurde. Doch wie Fenske zeigt, nutzten sie den ihnen belassenen engen "Spielraum", um in ihren Filmen immer wieder das hegemoniale Konzept von Männlichkeit zu problematisieren, wobei gerade die "Vehemenz", mit der die "bürgerliche, intelligible Geschlechtsidentität" am Ende der Filme wieder hergestellt wurde, darauf verweist, "wie umkämpft dieses Modell Ende der 40er Jahre und in den 50er Jahren war".

Zwei Befunde sind abschließend festzuhalten, ein eher allgemeiner und ein eher konkreter. Ganz allgemein gelingt es der Autorin, plausibel zu machen, dass das Medium Film als "fest verankerte[r] Bestandteil der Alltagskultur" ein von der Geschichtswissenschaft ernst zu nehmender Quellenkorpus ist, das zu einer "Veränderung der Beurteilungshierarchie der Quellen" beitragen und "neue Forschungsperspektiven" eröffnen kann. Was das konkrete Forschungsziel betrifft, so kann die Autorin anhand der herangezogenen Filme für die hegemoniale Männlichkeit des Untersuchungszeitraums zeigen, wie "mühsam" es für die Männer des untersuchten Zeitraums war, den gestellten "Anforderungen" zu genügen.


Titelbild

Uta Fenske: Mannsbilder. Eine geschlechterhistorische Betrachtung von Hollywoodfilmen 1946-1960.
Transcript Verlag, Bielefeld 2008.
348 Seiten, 30,80 EUR.
ISBN-13: 9783899428490

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