"Ein Stück, das mehr in die romantische Gattung schlägt"

Vor 200 Jahren erschienen die ersten Auszüge aus dem "Käthchen von Heilbronn"

Von Inka KordingRSS-Newsfeed neuer Artikel von Inka Kording

Für ein mögliches Taschenbuch mit Zeichnungen des Dresdner Malers Ferdinand Hartmann würde er, schreibt Heinrich von Kleist am 7. Juni 1808 an den Tübinger Verleger Johann Friedrich Cotta, "in diesem Jahre das K. v. H. dazu bestimmen, ein Stück, das mehr in die romantische Gattung schlägt, als die übrigen." Die Rede ist von Kleists "Käthchen", aus dem in diesen Tagen unter der Überschrift "Fragment aus dem Schauspiel: Das Käthchen von Heilbronn, oder die Feuerprobe" erste Auszüge aus dem zu einer Doppelnummer zusammengefassten und wohl Anfang Juni 1808 ausgelieferten Heft 4 und 5 der Dresdner Zeitschrift "Phöbus. Ein Journal für die Kunst" erschienen sind. Die ersten Urteile über den Auftritt des späteren Erfolgsstücks sind zwiespältig. Während der Archäologe, Philologe und Pädagoge Karl August Böttiger in einer im Juni 1808 erscheinenden Besprechung zwar meint, dies müsse "ein Zug- und Kassenstück werden", um zugleich unter anderem die "zerstückelte" Sprache, "wie überhaupt an vielen Stellen die öftern kurzen Fragen, Wiederholungen" zu kritisieren. Auch der Schriftsteller Friedrich de la Motte Fouqué, der die Werke seines Freundes Kleist durchaus schätzt, reagiert ablehnend. Es sei ihm "sehr widrig erschienen", schreibt er an Karl August Varnhagen von Ense, während der Schriftsteller Clemens Brentano bei der Lektüre der "Phöbus"-Fragmente "ungemeines Vergnügen" empfindet.

Die September- und Oktoberhefte des "Phöbus" erscheinen erst Anfang 1809. Darin ist mit dem ersten Auftritt des zweiten Aktes ein weiteres Fragment aus dem "Käthchen" zu finden. Zu dieser Zeit ist der "Phöbus" finanziell längst nicht mehr zu retten. Dabei startet das Projekt "Kunstjournal" im Januar 1808 in der sächsischen Elbmetropole hoffnungsvoll. Dort lässt sich der notorisch finanziell klamme Kleist im August 1807, nachdem er aus französischer Gefangenschaft wegen angeblicher Spionage entlassen wurde, in der Hoffnung nieder, künftig seinen Lebensunterhalt als Schriftsteller zu verdienen. Bald zählt Kleist einige einflussreiche Dresdner zu seinen neuen Bekannten.

Zunächst beabsichtigt er, eine eigene Verlagsbuchhandlung unter dem Namen "Phönix" zu gründen. Doch dieser Paradiesvogel erhebt sich schließlich nicht aus der Asche. Die ortsansässigen Buchhändler verhindern die neue Konkurrenz. Parallel zum geplanten Buchhandelsprojekt, das nicht zuletzt mit eigenen Werken florieren soll, gründet Kleist mit dem Philosophen und Staatstheoretiker Adam Heinrich Müller die Zeitschrift "Phöbus", wofür einige Größen der Zeit, wie Johann Wolfgang Goethe, zur Mitarbeit gewonnen werden sollen. "Ich bin", meldet deshalb Kleist dem Schriftsteller Christoph Martin Wieland, "im Besitz dreier Manuscripte, mit denen ich, für das kommende Jahr, fragmentarisch darin aufzutreten hoffe; einem Trauerspiel, Penthesilea, einem Lustspiel, der zerbrochne Krug (wovon der GhRth v. Göthe eine Abschrift besitzt, die Sie leicht, wenn die Erscheinung Sie interessirt, von ihm erhalten könnten); und einer Erzählung, die Marquise von O.. Adam Müller wird seine ästh. und phil. Vorlesungen geben; und durch günstige Verhältnisse sind wir in den Besitz einiger noch ungedruckter Schriften des Novalis gekommen, die gleichfalls in den ersten Heften erscheinen sollen. "

Nicht zuletzt die große Konkurrenz an Zeitschriften und die inhaltliche Ausrichtung der Zeitschrift, die zu einem Wettstreit unter den Künsten aufruft, wie auch die teilweisen großen Publikationsverzögerungen ab dem dritten Heft, bescheren dem "Phöbus" eine äußerst verhaltene Aufnahme. Nach 12 Heften, die bis März 1809 erscheinen, wird dieses "Journal für die Kunst" eingestellt. Die Freundschaft der beiden Herausgeber Müller und Kleist endet jäh, denn Kleist fühlt sich von Müller, als er die Schlussabrechnung sieht, übervorteilt. Ein gutes Jahr später arbeiten beide Bei Kleists "Berliner Abendblättern" jedoch wieder eng zusammen.

Im "Phöbus" ist Heinrich von Kleist vor allem in den ersten sechs Heften mit eigenen Beiträgen stark vertreten. Aus seiner Feder stammen neben Auszügen aus dem Trauerspiel "Penthesilea", die Novelle "Die Marquise von O.", Fragmente aus dem Lustspiel "Der zerbrochne Krug", aus dem Trauerspiel "Robert Guiskard. Herzog der Normänner" und dem "Michael Kohlhaas" sowie Fabeln, Gedichte und Epigramme und nicht zuletzt eben die ersten beiden Auftritte des ersten Akts und der erste Auftritt des zweiten Akts aus dem "Käthchen von Heilbronn". Bis zur Buchausgabe des "Käthchens" an Michaelis 1810 in der Berliner Realschulbuchhandlung erfährt der vor 200 Jahren erstmals erschienene Text mehrere Umarbeitungen. Zu jenem von Böttiger prognostizierten "Kassenstück" wurde das "Käthchen" jedoch erst ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.