Zu dieser Ausgabe

Wenn die Literaturgeschichte uns noch interessieren soll, müssen wir verstorbene Autoren und ihre Schriften wohl tatsächlich als "immerfort mitlebend" betrachten, wie es Arno Schmidt einmal formulierte. "Nicht die Wirkung Lessings auf seine Zeit ist uns hier entscheidend: sondern die auf unsere! - Da fällt denn freilich allerlei dem Filologen Lieb= und Wertes fort."

Ist man aber wirklich ein "schrullenhafter Sondergeschmäckler", wenn man unter die "Buchstabenmänner und greisen Variantensucher" geht? Wenn man den Blick zurück auf die verschiedenen Konstruktionsformen, Überlieferungen und Rezeptionen von Gesamtwerken wirft, wenn man Epochenbegriffe und literarhistorische Entwicklungen nachvollzieht oder sogar revidiert?

Die aktuelle Ausgabe von literaturkritik.de versucht dies mit ihrem Schwerpunkt zur Literaturgeschichtsschreibung - und bietet dabei vielleicht doch nicht ganz so verstaubt anmutende Perspektiven: Da avanciert ausgerechnet ein Gartenzwerg zum Symbol deutscher Literatur, Johann Wolfgang Goethes "Faust" zum verkannten Manifest der Globalisierungsgegner - und im Werk eines toten Schriftstellers soll es sogar spuken.

Damit nicht genug: Franz Kafka wäre diesen Monat 125 Jahre alt geworden, und der sympathische Lyriker Peter Rühmkorf ist gestorben. Nicht zuletzt: Walter Müller-Seidel, der Doyen der Münchner Germanistik, wird 90. Da geht sie also schon wieder weiter, die Literaturgeschichte. Beziehungsweise die ihrer Deuter. Und Sie können sagen, Sie seien dabeigewesen!

Herzliche Grüße
Ihres
Jan Süselbeck