Keine Graffitis im Klo anbringen

Thomas Höllmann erzählt vom alten China

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gegenstände können sprechen. Sie erzählen Geschichten. Man muss ihnen nur zuhören können, man muss genug wissen, damit man ihnen die Geschichten auch entlocken, einordnen und ihnen ein Umfeld geben kann, in dem sie sich entfalten können. Dann sprechen Gegenstände sehr viel.

Thomas Höllmann gelingt das in seinem Buch "Das alte China" durchaus. Es ist keine systematische Einführung in die Kulturgeschichte Chinas, wie der Untertitel nahelegt. Aber es ist doch ein spannender Überblick über viele Bereiche, die der Autor jeweils an einem archäologischen oder musealen Fundstück ausbreitet. Etwa an der Höhlenzeichnung "Mann beim Zähneputzen", die man in Höhle 159 in Mogao gefunden hat, datiert auf das 9. Jahrhundert. Meist wurden in den Höhlen religiöse Motive gemalt, aber eben nicht immer. Man sieht einen Mönch mit entblößtem Oberkörper, neben ihm steht ein Mann in rotem Gewand, der ein Handtuch bereithält. Höllmann erklärt: "Für die Reinigung der Zähne wurden damals meist Hölzchen verwendet, bevorzugt Pflaumenzweige, die an einem Ende weichgekaut und ausgefranst waren. Auch kannte man bereits Zahnstocher, von denen die wertvollsten aus Gold und Silber gefertigt waren, sowie eine Art Zahnpasta, die aus pflanzlichen und mineralischen Substanzen bestand. Die Verwendung von Zahnbürsten und Zahnseide kam hingegen erst später auf."

Höllmann gibt aber nicht nur Erklärungen zum Fundstück, sondern nimmt es als Ausgangspunkt für seine ausholenden Erzählungen über die Kultur. Für die Hygiene, zum Beispiel, wurden die Wasch- und Badeanlagen, die Shin Hu, der gläubige Herrscher des Späteren Zhao-Reichs, in seiner Hauptstadt Ye einrichten ließ, durch ein Kanalnetz gespeist. Es folgt im gleichen Kapitel ein Exkurs über die Toilettenhäuschen, die recht selten waren, in denen man nicht "zu viel Erde zum Bedecken der Notdurft in die Grube" schütten, nicht zu viel Wasser verschwenden oder Graffiti an den Wänden anbringen durfte. "Als unschicklich galt es schließlich, 'wenn das Gesicht rot anlief, weil der Atem zu lange angehalten wurde'."

In acht Kapiteln erzählt Höllmann sehr anschaulich von der Kulturgeschichte dieses großen Volkes: "Statuszuweisungen" berichten von Kaiser und Eunuchen, Beamten und Gutsherren, Dienern und Fremden, "Lebenswege" von der Familie, der Sittenstrenge und Sinnenlust, Kindheit und Alter, "Konturen" von der Stadt, den Möbeln, der Speisekammer und der Mode, "Konventionen" von der Wissenschaft, Natur und Umwelt, der Zeit und dem Recht, "Transaktionen" von Reise, Nautik, Geld, Glück und Seide, "Verstetigungen" von der Schrift, dem Pinsel, der Literatur und der Drucktechnik, "Überzeugungen" von den Glaubensrichtungen und "Passionen" von Erotik und Akrobaten, Herrn und Hund, Ross und Reiter, Sport und Spiel. Höllmanns sechzig präzise und bunt erläuterte Fundstücke reichen von der Gründung des Kaiserreichs 221 vor Christus bis zur Unterwerfung durch die Mongolen 1279.

Sehr unterhaltsam zu lesen, bietet das Buch sehr viel Fachwissen auf engem Raum. Man kann es systematisch lesen, man kann aber auch einfach nur darin stöbern, blättern und an skurrilen Details hängenbleiben. Es ist übersichtlich aufgebaut, sehr schön gemacht, ein buntes Lesebuch über die Kultur Chinas, immer direkt am Menschen. Was kann man mehr verlangen?


Titelbild

Thomas Höllmann: Das alte China. Eine Kulturgeschichte.
Verlag C.H.Beck, München 2008.
327 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-13: 9783406570711

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