Analysen und Interpretationen zu Gender-studies in den USA

Ein Band über Amerikastudien in Deutschland

Von Jessica KöpplerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jessica Köppler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Binäre Oppositionen, besonders der Gegensatz von Mann und Frau, und alles, was damit zusammenhängt, hatten speziell seit den späten 60-er Jahren des vorigen Jahrhunderts einen negativen Ruf. Seitdem gehen die Forschungen immer mehr in Richtung Geschlechterstudien (gender-studies). Ihr Ziel besteht darin, die zentrale Kategorie "Frau" früh-feministischer Diskurse zu ersetzen. Mit diesem Negativimage beschäftigt sich das vorliegende Buch im Hinblick auf die einschlägigen Studien aus den USA.

Der Band "Geschlechterdifferenz und Amerikastudien in Deutschland" versucht zu erörtern, "wie produktiv die gender-studies für die Analyse und das Verständnis kultureller und gesellschaftlicher Prozesse, Strukturen und Diskurse" sind. Andererseits soll gezeigt werden, wie sich das Selbstverständnis des Faches selbst verändert. Es wird die Frage aufgeworfen, ob es sich die Wissenschaft, in diesem Fall die Amerikastudien, noch leisten kann, geschlechtsneutral zu forschen und zu lehren, und ob sich die Amerikanistik in einem Veränderungsprozess hin zu einer kultur- und ideologiekritischen Disziplin "Amerikastudien" befindet.

Die Aufsätze des Bandes stellen Ergebnisse dieser Veränderung vor. Sie dokumentieren ihren Verlauf und beschäftigen sich sowohl mit theoretischen Fragestellungen als auch mit der praxisorientierten Wiederbetrachtung der Kultur- und Literaturgeschichte. In diesem Buch wird vor allem "das statische Konzept des männlichen Autors" hinterfragt.

Innerhalb der feministischen Theorie und Praxis werden konzeptionelle Differenzierungen nötig, um die Lebenserfahrungen von Frauen unterschiedlicher sozialer und ethischer Herkunft erfassen zu können. Auf solche Aspekte gehen beispielsweise Eva Warth und Catrin Gersdorf in ihren Aufsätzen ein. Gersdorf sieht die Wurzeln für die heutigen gender-Diskussionen in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Sie liest den 1936 erschienenen Roman "Nightwood" von Dunja Barthes als ein Beispiel für die Auflösung binärer gender-Oppositionen. Warth nimmt Filme wie "The Crying Game" und "M. Butterfly" unter die Lupe, um zu zeigen, dass der Umgang mit Transvestismus und Homosexualität Ende des 20. Jahrhunderts liberaler geworden ist. Aber diese Analyse zeigt auch, dass die Filme in der Tiefenstruktur traditionelle gender-Rollen eher bestätigen.

Brigitte Georgi-Findley beschäftigt sich mit der Geschichte der Westexpansion in den USA. Sie zeigt, dass die sich im 19. Jahrhundert festigende nationale US-Identität auf der Ausgrenzung ethnisch wie "rassisch" und geschlechtlich wie sexuell verschiedener Menschen durch weiße heterosexuelle Männer beruht. Sie stellt die These auf, dass Weiblichkeitsdiskurse nicht zwangsläufig als Alternative zu "männlichen Eroberungs- und Aneignungsphantasien" gelesen werden müssen.

Heike Paul analysiert jeweils einen Roman von Bharati Mukherjee und Maryse Condé. Das Ziel ihres Beitrags ist die literarische Betrachtung der kolonialen US-amerikanischen Vergangenheit. Ferner nimmt sie deren literarisches und kulturelles Erbe unter die Lupe. Auffällig ist dabei, dass beide Schriftstellerinnen nicht nur die Geschichte und Geschichtsschreibung revidieren, indem sie am Rande stehende Stimmen zum Sprechen bringen, sondern auch die nationale Begrenzung einer solchen Wiederbetrachtung in Frage stellen. In den Erzählungen werden feministische und postkoloniale Interessen koordiniert.

In dem Buch sind vielfältige Beiträge breitgefächert zusammengestellt. Sie belegen die kritische Relevanz der in der wissenschaftlichen Landschaft immer noch am Rande stehenden feministischen Theorie und die Produktivität des gender-Begriffs, der inzwischen als eine der zentralen Kategorien kultur- und literaturkritischer Diskurse gilt. Der Band liefert einen Querschnitt durch verschiedene Analyseansätze und Diskussionen im Bereich der gender-studies und ist aus diesem Grund im wissenschaftlichen Zusammenhang sehr lesenswert. Denn "women's-" und "gender-" Studien sind ein komplexes Thema für sich, genau wie "Postcolonial Studies", die in diesem Zusammenhang ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.

Titelbild

Anne Koenen: Geschlechterdifferenzen und Amerikastudien in Deutschland.
Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 1999.
147 Seiten, 17,40 EUR.
ISBN-10: 3931922030

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