Munteres Mäandern

Ina Bruchlos und ihr (fast) grandioser Erzählband "Der Kampf der Mähdrescher"

Von Martin SpießRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Spieß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Man macht sich über alles mögliche Gedanken: über die Familie, den Partner, die Kinder, den neuen Job. Und das ist nur menschlich. Die Spitze dieser mal mehr, mal weniger fruchtlosen Tätigkeit ist dann: Sich Gedanken machen und dann über das Sich-Gedanken-Machen nachdenken. Die Philosophie nennt das die conditio humana, die Natur des Menschen. Ein nicht enden wollender Teufelskreis, eine Abwärtsspirale der Aussichtslosigkeit.

Die in Hamburg lebende Autorin Ina Bruchlos lässt ihre Protagonistin in "Der Kampf der Mähdrescher" so einiges denken, und beweist dabei wahre Meisterschaft. Als sei sie auf der Suche nach dem letzten Gedanken, hinter dem sich alles verbirgt, der alles erklärt, bewegt sich die immer gleiche Protagonistin durch die wunderbaren Kurzgeschichten über hamburgischen Lokalpatriotismus, Religion, Kunst und Kindheit. In den meisten der sechzehn Geschichten passiert wenig, sie bestehen vielmehr aus den überaus eloquenten Gedankenspielchen der Protagonistin. Die hat quasi-kolumnesk irgendwo etwas gelesen oder gehört: "Kürzlich habe ich" heißt es da, oder "Ich habe einmal gelesen" und von diesen Einstiegen aus manövriert sich die Protagonistin in einen ansehnlichen Assoziationsreigen hinein. Dem kann der Leser mal mehr, mal weniger gut folgen, aber wenn er sich erstmal auf die zeitweilige Abstrusität der Gedankengänge eingestellt hat, macht es richtig Spaß, die Protagonistin verstehen zu wollen. Einige der Geschichten haben sogar eine ganz klassische Handlung. Aber auch hier schleicht sich die conditio humana ein, als müsse sie sich, ungezügelt wie sie ist, Zutritt verschaffen.

Manchmal aber schießt Ina Bruchlos in ihrem handlungslosen Assoziationsreichtum übers Ziel hinaus. Wenn der Leser weder weiß, wo er gerade ist, noch wer da gerade was tut oder denkt, ist es mit dem Folgen-wollen aus. Und das ist doppelt schade, wenn man noch den Klang der letzten Geschichte im Ohr hat und bei der nächsten eben diesen Klang vermisst. Trotzdem: In "Der Kampf der Mähdrescher" erzählt, sprachspielt und wortwitzelt eine Autorin so munter mäandernd, dass es einem vor Begeisterung den Atem verschlägt. Und sie beweist, dass in Geschichten nicht immer etwas passieren muss und dass man sich das Passieren auch einfach denken kann. So was, das steht fest, möchte man öfter lesen. Oder sich denken.


Titelbild

Ina Bruchlos: Der Kampf der Mähdrescher. Kurze Erzählungen.
Minimal Trash Art, Hamburg 2008.
112 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-13: 9783980878876

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