Schießbudenfiguren

'Männlichkeit' in Punk und Rap

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nicht nur an den Schalthebeln der Macht sitzen Männer, sondern auch hinter der Schießbude. Sie greifen in die Saiten und sie stehen am Keyboard oder Plattenteller. Sie sind allgegenwärtig, gerade auch in der Rockszene. Und immer konstruieren und repräsentieren sie 'Männlichkeit'. Dieser "Repräsentation von Männlichkeit im Punk und Rap" ist Stephanie Grimm nachgegangen. Zuvor definiert sie dankenswerterweise die grundlegenden Termini. Doch macht Grimms angestrengtes Bemühen um klaren Ausdruck den Text oft etwas spröde. Nicht einzusehen ist zudem, warum Judith Butlers auf deutsch vorliegende Texte im Original zitiert werden müssen.

Die Autorin verortet ihren gendertheoretischen Ansatz zwischen Essentialismus und Konstruktivismus. Beiden wirft sie vor, einem Körperverständnis anzuhängen, das "wenig hilfreich" sei. Allerdings kritisiert sie nur letzteren ausführlicher, und zwar dahingehend, dass er den Körper als "neutrale Oberfläche" betrachte, dem "Bedeutungen erst durch gesellschaftliche Prozesse und Strukturen zugeschrieben" würden. Somit verbleibe er selbst "im Stadium ideologischer Konstruiertheit". In der Absicht, Essentialismus und Konstruktivismus zu verbinden, schließt sie sich Gesa Lindemann ("Begriffsehe") und Drucilla Connell ("Masculinities") an. Männlichkeit, so die Autorin, sei eine Kategorie, die sich "aus dem biologischen Geschlecht" ableite, "ihren konkreten Inhalt jedoch durch kulturelle Zuschreibung" erhalte.

Wie das zentrale Thema des aus Großbritannien stammenden Punks die Klassenverhältnisse seien, so Rasse für den überwiegend in den USA beheimateten Rap. Mehr oder weniger explizit führt die Autorin dies darauf zurück, dass das zentrale Strukturmerkmal der englischen Gesellschaft eben 'Klasse' sei, das Amerikas 'Rasse'. Dem ist entgegenzuhalten, dass in beiden Ländern - wie in jedem anderen auch - mehr noch als Klasse und Rasse die Geschlechterkonstruktion das Fundament der Gesellschaft ebenso wie der zwischenmenschlichen Beziehungen bildet und die Kategorien Rasse und Klasse dominiert. Womit jedoch nicht gesagt sein soll, dass diese beiden Kategorien auf die Konstruktion und Repräsentation von gender, dem primus inter pares, nicht zurückwirken würden.

Innerhalb von Punk und Rap sind je zwei Subgenres auszumachen: Politisch klassenbewusster versus nihilistischer Punk, in der Untersuchung paradigmatisch vertreten durch "The Clash" und die "Sex Pistols"; nationalistischer und islamistischer Rap ("Public Enemy") versus gangsta-Rap ("NWA"). Gemeinsam ist ihnen allen, dass die emotional positiv aufgeladenen Begriffe Authentizität und Rebellion männlich konnotiert sind. Beide sind Voraussetzung für "realness", die somit für Frauen prinzipiell nur schwer zu erlangen ist.

Dennoch gibt es zwischen Punk und Rap grundlegende Unterschiede, was das Geschlechterverhältnis und die Repräsentation von 'Männlichkeit' betrifft. Zwar wird einerseits das hybride Potential von Rap, wie es sich etwa im samplen ausdrückt, allgemein als ein Inbegriff postmodernen Ausdrucks gewürdigt, das die traditionelle Autorschaft überwindet, indem bereits vorhandene Sounds auf kreative Weise neu zusammengefügt und so "rekontextualisiert" werden. Doch erweist sich Rap andererseits hinsichtlich der Repräsentation von 'Männlichkeit' und der Rollenzuweisung an Frauen als ausgesprochen reaktionär. Das gilt sowohl für den nationalistisch-islamistischen als auch den gangsta-Rap-Flügel. In den Texten letzterer kommen Frauen wenn überhaupt, dann nur als bitches vor und Formationen wie die politischen "Public Enemy"' würdigen' sie allenfalls in ihren angestammten Rollen als Mütter und Freundinnen, die dem männlichen revolutionären Helden den Rücken stärken.

Unmittelbarer noch als in den Texten zeigt sich die Repräsentation von 'Männlichkeit' im Verständnis und der Präsentation des männlichen Körpers. Er wird zum gestählten Ausdruck von Stärke und Durchsetzungsvermögen getrimmt und durch die bevorzugte Armeekleidung geradezu zur Kampfmaschine stilisiert. Alternativen hierzu sind dem Rapper aufgrund seines Selbstverständnisses von vornherein verschlossen. Frauen hingegen bleiben im Rahmen des klassischen Schönheitsideals gefangen.

Erstaunlich ist, dass die Autorin - nachdem sie all das (und mehr) aufgelistet hat - bestreitet, dass die sexistische Repräsentation von 'Männlichkeit' im Rap ebenso wie seine Geschlechterkonstruktion per se reaktionär sind, da sie ja zu deren Diskussion geführt hätten. Sicherlich, sie werden u. a. im Rahmen der cultural studies diskutiert, aber genau aus dem Grund, weil sie reaktionär sind.

Anders stellte sich die Repräsentation von 'Männlichkeit' im Punk dar, dessen aggressiver Habitus nicht mit dem Gestus von Stärke verwechselt werden darf. Die Körperdarstellung des Punks war der des Rappers geradezu diametral entgegengesetzt. Allerdings stand der politisch-revolutionäre Punk etwa à la "The Clash" der Geschlechterrollenverteilung des Rap näher als der künstlerisch-nihilistische der "Sex Pistols". Dennoch, in zerrissener und zerschlissener Kleidung steckte in beiden Lagern meist ein hagerer, fragiler, anfällig und kränkelnd wirkender Körper. Er war nicht Zeichen der Stärke, sondern innerer Zerrissenheit. Dabei trugen beide Geschlechter das gleiche, nicht nur von Männern bestimmte, Outfit. Netzstrümpfe und ähnlich ursprünglich sexuell konnotierte Accessoires waren zuerst von Frauen in die Punkästhetik eingebracht worden. Anhand des Äußeren war das Geschlecht einer Punkerin oder eines Punks oft kaum festzustellen. Allerdings waren das im Punk praktizierte cross-dressing und die gender confusion eher auf Provokation angelegt als auf Identifikation mit 'Weiblichkeit'. So lässt sich die Abneigung der Punks gegenüber Hippies und deren oft 'weiblicher' Mode auch als Verachtung für eine 'weiblich' konnotierte Ästhetik interpretieren. Dennoch "erschien die Vermeidung der konventionellen Darstellung von Geschlecht im Punk als Befreiung." Nicht zuletzt deshalb, weil die Punkästhetik des Hässlichen und der Körperfeindlichkeit Frauen die Möglichkeit eröffnete, sich vom Status bloßer Sexualobjekte zu befreien. Darum schöpfte auch ein "feministisch orientiertes Genre" wie das der riot grrrls, aus dieser Tradition. Und der alternative rock der jüngsten Zeit wird, nicht zuletzt was die Repräsentation von gender betrifft, noch immer von den Innovationen des Punks inspiriert.

Titelbild

Stephanie Grimm: Die Repräsentation von Männlichkeit in Rap und Punk.
Stauffenburg Verlag, Tübingen 1998.
148 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 3860578715

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch