Freiheit oder Feminismus

Antifeminismus in den Printmedien

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zwar wurde im Kinderprogramm des Fernsehens die Märchenstunde bereits in den 70-er Jahren als unzeitgemäß aus dem Programm genommen, dennoch geistert eine ganz bestimmte Mär seit etlichen Jahren durch sämtliche Medien. Es ist die vom feministischen Gesinnungs- und Tugendterror. Ihre Zauberworte sind "political" und "sexual correctness". Doch führen sie hier nicht die bösen Hexen im Munde, sondern die Märchenonkel selbst. Einer von ihnen ist Dietrich Schwanitz, der den Campus zum wahren Blocksberg umdichtete, auf dem sich Frauenbeauftragte und sonstige schreckliche Weiber tummeln. Die von ihm und anderen Erzählern aufgetischte immer gleiche Geschichte vom gefährlichen, lustfeindlichen und intoleranten Feminismus wird in sämtlichen Medien vorgetragen. Sie alle bedienen sich der gleichen Bannflüche: "Radikalfeministinnen", "Quotenterror" und "Tugendterror", "Gedankenpolizei" und "Gesinnungspolizei". Der besonders findige Klaus J. Grohl erfand gar das vernichtende Wort von der "Gesinnungs-Gestapo". Mit all diesem Simsalabim und Abrakadabra wollen die Herren dem argen Hexentreiben ein Ende bereitet werden.

Allerdings sind es letztlich nicht harmlose Zauberworte und wirkungslose Bannflüche, die hier verbreitet werden, sondern Kampfbegriffe. Konservative Kampfbegriffe, die die patriarchale Bewahrung von Besitzstand, Privilegien und Herrschaft bewahren sollen. Dass selbst die gestandene Feministin Frigga Haug jüngst im "Argument" den Topos der politischen Korrektheit aufgriffen hat - natürlich polemisch gegen konkurrierende feministische und gender-theoretische Positionen gewendet -, widerlegt diese Analyse nicht, sondern zeigt nur, wie wirkungsvoll die reaktionäre back lash-Kampagne ihr Vokabular lanciert.

Der Verwendung und Funktion der Begriffe political und sexual correctness in Deutschland ist der Sozialwissenschaftler und Politologe Simon Möller nachgegangen. In einer fundierten und materialreichen Studie untersucht er die "Modernisierung antifeministischer Debatten" in den Printmedien. Möllers Buch wirft die Frage auf, wie es dazu kommen konnte, dass die Schauermär vom feministischen Gesinnungs- und Tugendterror "so undifferenziert in den Printmedien weitergegeben" wurde. Wie er nachweist, ist der Interpretationsrahmen des Anti-'political correctness'-Diskurses in den hiesigen Medien bereits Anfang der 90er Jahren vorbereitet worden. In Deutschland äußert sich die Anti-political-correctness-Kampagne überwiegend als neuer Antifeminismus. D. h. der 'PC'-Diskurs wird hierzulande zugespitzt als sexual correctness-Diskurs geführt. Auf ihn richtet die Untersuchung also ihr Augenmerk.

Bei den Begriffen 'PC' und 'SC' handelt es sich nicht um Selbstbezeichnungen bestimmter Personengruppen oder gar einer Bewegung, die für political oder sexuell correctness eintritt. Eine solche Bewegung hat sich nämlich "nirgends formiert". Ganz im Gegenteil sind die Begriffe Medienkonstrukte der "Gegner und Gegnerinnen" der als "PC" und "SC" Stigmatisierten. Die Widersacher und Widersacherinnen feministischer Anliegen sind es denn auch, die 'PC' und 'SC' in ihrem Sinne "normieren".

Möller macht die Verschlechterung der ökonomischen und sozialen Bedingungen seit Ende der 80er Jahre in Deutschland als materielle und gesellschaftspolitische Gründe für die damals einsetzenden Anti-'PC'- und Anti-'SC'-Kampagnen aus. Letztlich seien sie männliche Legitimationsstrategien zur Wahrung materieller und sozialer Vorteile gegenüber Frauen. Ihre Angriffsziele seien "jene Strömungen, die trotz dieses auch in den 1990er Jahren anhaltende politische Klimas versuchen, sozialpolitische Errungenschaften zu verteidigen". Dem Anti-'SC'-Diskurs komme dabei insbesondere die Funktion zu, "von dominanter Seite zur Festigung des patriarchalen Konsenses, d. h. zur Herstellung von Akzeptanz gegenüber strukturellen Machtasymmetrien im Geschlechterverhältnis" beizutragen.

Das Hauptaugenmerk richtet Möller auf den antifeministischen Diskurs in den Printmedien. Für den Untersuchungszeitraum von 1991-1995 hat er 122 einschlägige Artikel aus fünf überregionalen Zeitungen und Zeitschriften ausgewertet: "Frankfurter Allgemeine", "Süddeutsche Zeitung", "Die Zeit", "Focus" und "Der Spiegel". Einen Beitrag aus je einer der Zeitschriften unterzieht er einer besonders detaillierten Untersuchung.

Hierbei macht er eine Reihe immer wiederkehrender Strategien aus. Besonderer Beliebtheit erfreut sich die "Verschiebung des Problemhorizontes". Sie äußert sich darin, dass die strukturelle Hierarchie der Geschlechter erotisiert, intimisiert, singularisiert, und personalisiert wird. Auch wird die Existenz sexistischer bzw. patriarchaler Dominanzverhältnisse gerne bestritten. Stattdessen wird eine feministische Diskurs-Hegemonie behauptet, deren liebste Instrumente Zensur und absurde Sprachregelungen seien. All das dient dazu, feministische Anliegen als lächerlich, banal, unsinnig, hysterisch, prüde, demokratiefeindlich und überhaupt als gefährlich erscheinen zu lassen.

So wird durch die contrafaktische Behauptung der angeblichen Machtposition der Opfer von "strukturell geduldeter und traditionell legitimierter Diskriminierung" und von Männergewalt ihre "unter diesen Voraussetzungen ohnehin schon geringe Glaubwürdigkeit" zusätzlich "unterminiert". Beliebt ist auch, sexuelle Belästigung bis hin zur Vergewaltigung als "Erotik oder Liebe" zu beschönigen und "Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung als übertriebene, sexualfeindliche 'Übergriffe' des Feminismus" zu diffamieren. Dabei werden Feministinnen fast ausnahmslos als egoistische, paternalistische und äußerst dogmatische Zensorinnen dargestellt, "denen nicht nur unschuldige Männer zum Opfer fielen, sondern auch die Meinungs- und Redefreiheit sowie letztendlich die Sexualität und Liebe selbst". Unterfüttert wird all dies mit einem expliziten oder impliziten Appell an ein sexistisches Basisverständnis.

Die absurde Anklage, Zensur auszuüben, richtet sich implizit und oft genug auch explizit überhaupt gegen jede argumentative Kritik von Feministinnen. Und schon soll sie verstummen. Denn jedes weitere kritische Wort würde ja - so können die Ankläger hoffen - die Anklage bestätigen. Allerdings lässt sich leicht nachweisen, dass vielmehr umgekehrt der Vorwurf, es gebe eine Bewegung der 'political' und 'sexual correctness', die bestimmte Positionen und Kritiken verbiete, sich selbst Lügen straft, indem er nicht nur ganz unangefochten ausgesprochen werden kann, sondern sich zunehmenden Beifalls gewiss sein darf. Zumal in Zeiten, in denen die Betonung 'politischer Inkorrektheit' als werbewirksam und verkaufsfördernd erkannt wird. Nicht umsonst finden sich immer öfter entsprechende Hinweise auf Buchumschlägen und in Werbeanzeigen für die verschiedensten Produkte.

Selbstverständlich wird der antifeministische Diskurs auch weiterhin kritisiert werden. Weil seine dumpfbackigen Vorurteile nicht haltbar sind, und weil er mit antiemanzipatorischem Impetus zwischenmenschliche und gesellschaftliche Zustände rechtfertigen und bewahren will, die auf sozialer Ungerechtigkeit und sexistischer Unterdrückung basieren.

Titelbild

Simon Möller: Sexual Correctness. Die Modernisierung antifem.Debatten in den Medien.
Verlag Leske und Budrich, Leverkusen 1999.
240 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-10: 3810023019

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