Von der Unendlichkeit des Seins

Giordano Bruno und das neue Weltbild

Von Patrick MenselRSS-Newsfeed neuer Artikel von Patrick Mensel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte Nikolaus Kopernikus' neue Theorie eine bahnbrechende Wirkung: Die Planetenbahnen am Himmel lassen sich sehr einfach erklären, wenn man davon ausgeht, dass sie um die Sonne kreisen. Sie und nicht mehr die Erde bilden den Mittelpunkt des Universums. Diese Mutmaßung blieb vorerst Theorie. Einen eindeutigen Beweis konnte Kopernikus nicht liefern. Erst Galileo Galilei konnte mit seinem selbstgebauten Fernrohr die Theorie durch handfeste Entdeckungen untermauern: die genaue Beschreibung der Oberfläche des Mondes, die Existenz des Erdscheins und der vier größten Jupitermonde. All diese Neuerungen machten Galilei in kurzer Zeit berühmt und seinen "Sidereus Nuncius" zu einem begehrten Werk.

Galileo sah seine wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht im Widerspruch zur christlichen Lehre. Giordano Bruno genauso wenig. Doch sein philosophischer Ausbau des kopernikanischen Weltbildes zündete wie eine Bombe. Das, was Kopernikus und Galilei für die Wissenschaft bedeuten, bedeutet Bruno für die Philosophie. Es wäre aber zu einfach, alle drei in eine fortlaufende Reihe zu stellen, überschreitet Bruno doch die Grenzen des neuen Weltbildes an ganz anderen Stellen.

Giordano Brunos Werke und sein Leben spiegeln die unruhige Zeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wider. Er wurde im Jahr 1548 in Nola bei Neapel geboren. Er trat im Alter von 17 Jahren in den Dominikanerorden ein und wurde im Konvent in Neapel ausgebildet. Damals geriet er schon in - allerdings folgenlose - Streitigkeiten mit der Ordensleitung, da er die Marienverehrung ablehnte. Nach seiner Priesterweihe 1572 musste er 1576 Neapel verlassen, da er erstmals unter Verdacht der Ketzerei stand. Ab diesem Zeitpunkt begann Brunos Wanderleben. Es führte ihn durch Frankreich, England und Deutschland. Sein Leben war von Eklats und Flucht geprägt. Brunos Lehrtätigkeit in Oxford fand ein jähes Ende nach einem Plagiatsvorwurf und einer Kontroverse mit den dortigen Gelehrten, die unter anderem in seinem "La cena de le ceneri" von 1584 ihren karikaturistischen Höhepunkt erreichte. Im selben Jahr erschien Brunos "De la causa, principio et uno", das als sein philosophisches Hauptwerk gilt.

"Über die Ursache, das Prinzip und das Eine" bildet den zweiten Band der Bruno'schen Werkausgabe des Meiner Verlages und liegt in neuer deutscher Übersetzung von Thomas Leinkauf vor. Diese zweisprachigen Ausgaben der Giordano-Bruno-Werke beinhalten alle sieben in italienischer Sprache verfassten Schriften. Ein solch wichtiges, systematisches Werk wurde seit langem erwartet und es ersetzt die in den Jahren 1904-1909 erschienene einsprachige Gesamtausgabe der italienischen Dialoge, die Ludwig Kuhlenbeck herausgegeben hat. Als Grundlage für den italienischen Text dient die Ausgabe von Giovanni Aquilecchia; der deutschen Übersetzung zugrunde liegen bereits edierte Einzelausgaben, die stark überarbeitet bezwiehungsweise vollständig neu angelegt wurden. Zudem beginnt jeder Band mit einer umfassenden Einleitung, die im vorliegendem Werk vor allem die Gedächtniskunst Brunos behandelt. Einflüsse von Raimundus Lullus und seinem "Ars generalis ultima", die auf eine kombinatorische Verbindung von Begriffen nach strengen Regeln der Logik aufbaut, werden ebenso aufgezeigt wie das von Bruno beeinflusste Denken des letzten Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz.

Bruno entwickelt in "De la causa, principio et uno" seine Metaphysik. Für ihn ist das Weltall wie auch die Zahl der auf anderen Planeten befindlichen Lebewesen unendlich. Das Universum hat überall seinen Mittelpunkt. Diese Gedanken fußen auf einem pantheistischen Gottesbild. Die Existenz einer einzigen Substanz, die göttliche Einheit des Seins, ist fähig, verschiedene Erscheinungsformen anzunehmen, ohne dabei aber einer Veränderung zu unterliegen. Sie bildet die Ursache für die unendliche Vielfalt und Vielzahl aller existierenden Dinge. Dabei lässt die Harmonie des Ganzen alle Gegensätze schwinden und mündet wiederum in Gott. Auf diese Weise wird der Kreislauf geschlossen und zugleich eine Rückkehr zur ersten Ursache vollzogen.

Brunos lebendige Dialoge, die mit Satire vermengten Streitgespräche, entwerfen nicht nur eine neue wissenschaftliche, sondern auch eine literarische Welt. Die in Angriff genommene Giordano-Bruno-Werkausgabe stellt einen wichtigen und lang erwarteten Schritt in der Bruno-Rezeption dar. Der Band wird den höchsten übersetzerischen und editorischen Anforderungen gerecht, die Herstellung besticht durch größtmögliche Qualität und Sorgfalt. Zweifellos wird die Ausgabe den Ideen Brunos zu neuem Aufwind im deutschsprachigem Raum verhelfen, indem sie an den Rang gemahnen, den Bruno in der Entwicklung von Philosophie und Wissenschaft schon immer eingenommen hat und auch weiterhin einnehmen wird.


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Giordano Bruno: Über die Ursache, das Prinzip und das Eine. Werke, Band 3.
Herausgegeben von Thomas Leinkauf.
Felix Meiner Verlag, Hamburg 2007.
537 Seiten, 148,00 EUR.
ISBN-13: 9783787318032

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