"Ein böser Bube"

Volker Mosbrugger zeichnet in seinem Buch "Darwin für Kinder und Erwachsene" die Lebensstationen des britischen Naturwissenschaftlers nach und führt Kinder ab zwölf Jahren an sein Hauptwerk heran

Von Heike GeilenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heike Geilen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Charles Darwin, die Kirche von England schuldet Ihnen eine Entschuldigung, dass wir Sie falsch verstanden haben und dass wir dadurch, dass unsere erste Reaktion falsch war, andere ermutigt haben, Sie ebenfalls falsch zu verstehen." Diese Worte sind seit dem 15. September 2008 im Namen von Rowan Williams, Erzbischof von Canterbury und Oberhaupt der Anglikanischen Kirche, auf einer neuen Webseite über Charles Darwin zu lesen. 150 Jahre mussten vergehen, um einen Gesinnungswandel der Kirche zum Ausdruck zu bringen, der aber noch lange nicht überall angekommen ist. So klagte zum Beispiel im Juni diesen Jahres die Ehefrau des Bischofs von Worcester: "Abgestammt von den Affen! Lass uns hoffen, dass es nicht wahr ist, aber falls doch, lass uns beten, dass es nicht allgemein bekannt wird."

Vor allem in den USA ist der so genannte Kreationismus in verschiedenen Ausprägungen bei fundamentalistischen Christen stark verbreitet. Wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Urknall, die Evolution aller Arten und die Abstammung des Menschen begegnen sie ablehnend und intolerant. Die Schöpfungsgeschichte wird oft wörtlich genommen. Einige Bundesstaaten haben gar versucht, kreationistische Lehren in den Biologie-Unterricht einzubringen.

Im Jahr 2009 jähren sich gleich zwei Jubiläen zu Ehren des englischen Naturforschers, dessen Bild seit 2000 die britische 10-Pfund-Note ziert. Zum einen steht der 200. Geburtstag Darwins an, der am 12. Februar 1809 in Shrewsbury geboren wurde. Zum anderen werden am 24. November 2009 150 Jahre seit seiner erfolgreichsten und zugleich umstrittensten Publikation "On the origin of species by means of natural selection" ("Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtauswahl") vergangen sein.

Grund genug, sich an diesen Mann zu erinnern und mit der von ihm entworfenen Evolutionstheorie auseinanderzusetzen. Der Paläontologe, Hochschullehrer und jetzige Direktor des Forschungsinstituts und Naturmuseums Senckenberg in Frankfurt am Main, Volker Mosbrugger, will mit seinem Buch Kindern ab zwölf Jahren und "neugierigen Kinderfreunden" einen adäquaten Zugang zu dessen bedeutendsten Publikationen ermöglichen.

In sechs Kapiteln, in denen er Darwin größtenteils selbst zu Wort kommen lässt, gibt er einen kleinen und gelungenen Abriss der Lebensstationen des Wissenschaftlers. Mittels leicht verständlicher Auszüge aus "Reise eines Naturforschers um die Welt" und "Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtauswahl" führt er an das Lebenswerk heran. Reflexionen seiner Umwelt - entnommen aus Briefwechseln Darwins mit seinen Freunden (unter anderem Thomas Huxley und Charles Lyell) - und ein letztes Resümee runden das schmale Büchlein ab.

Die kongenialen Illustrationen des in Frankfurt lebenden Graphikers, Journalisten und Schriftstellers Hans Traxler lockern zusätzlich auf und scheinen einen eigenen Dialog mit dem Text zu führen. Ihm gelingt mit seinen witzigen und liebevollen Zeichnungen ein großartiger Spagat zwischen Komik und hintergründigem Anspruch.

Seine Rehabilitation hat Darwin nicht mehr miterlebt, ebenso wenig den schlimmsten Missbrauch seines Namens (die Nationalsozialisten gründeten auf seinem Lehrsatz ihren Irrglauben vom arischen Übermenschen und ihre todbringende Herrschaft). Seine Schildkröte Harriet, die er 1835 selbst von den Galapagos-Inseln mitgebracht hatte, allerdings schon. Sie verstarb 2006 im biblischen Alter von 176 Jahren an Herzversagen.


Titelbild

Volker Mosbrugger (Hg.): Darwin für Kinder und Erwachsene.
Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
115 Seiten, 14,80 EUR.
ISBN-13: 9783458174127

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