Plädoyer für Transparenz

Christine Färber und Ulrike Spangenberg haben eine Analyse von professoralen Berufungsverfahren bundesdeutscher Hochschulen vorgelegt

Von Annette CremerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Annette Cremer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Christine Färber und Ulrike Spangenberg treten in ihrem Buch "Wie werden Professuren besetzt? Chancengleicheit in Berufungsverfahren" mit einem dezidiert wissenschaftspolitischen Anspruch an. Es geht um altbekannte Tatsachen: Es gibt zu wenig Frauen in Leitungspositionen an deutschen Hochschulen. Während die Anzahl der weiblichen Studierenden noch die Mehrheit stellt, beginnt es bereits bei Diplom und Magister zu bröckeln. Nur ein Viertel der Promovierenden ist weiblich - und zur Habilitation hin wird die Pyramide immer dünner. Am Ende werden zwischen 1,6% und 25,7% Frauen je nach Fach, Bundesland und Bildungseinrichtung auf C 4 Professuren berufen. Es gibt sicherlich viele Punkte innerhalb des akademischen Karrierewegs, an denen man über eine gezielte Förderung von Frauen nachdenken müsste. Färber und Spangenberg haben sich dem Nadelöhr der Berufungsverfahren gewidmet.

Ziel der Publikation ist es, "Rechtsgrundlagen und das Qualitätsmanagement der Hochschulen für Berufungsverfahren so zu gestalten, dass sie Chancengleichheit eröffnen". Wie aber kommt man einem vermeintlich ungerechten Verfahren auf die Spur?

Färber und Spangenberg haben sich mittels einer doppelten Strategie dem "Phänomen Berufungsverfahren" genähert. Als Basisarbeit wurden sämtliche rechtliche Grundlagen auf Bundes-, Landes-, und Hochschulebene überprüft und verglichen. Im Hauptteil der Untersuchung wurden 43 Personen im Rahmen einer qualitativen empirischen Analyse nach ihren Erfahrungen mit Berufungsverfahren befragt. Unter den Befragten befanden sich Bewerberinnen und Bewerber, Kommissionsvorsitzende- und mitglieder beiden Geschlechts sowie Frauenbeauftragte, die quantitativ die meiste Erfahrung mitbrachten. Aus den Ergebnissen von Interviewstudie und Dokumentenanalyse ergeben sich für die Autorinnen klar beschreibbare Desiderate der Besetzungsmechanismen und der daraus folgenden Benachteiligung von Frauen in Berufungsverfahren. In den Interviews berichten die Befragten beispielsweise von unfreundlichem Umgang, der Relevanz informeller Absprachen, der Länge der Verfahren, aber vor allem von fehlender Transparenz in Ablauf und Beurteilungskriterien, durch die Bewerberinnen stärker benachteiligt würden.

Färber und Spangenberg leiten hieraus in der Konsequenz einen detaillierten Handlungskatalog für "ein gleichstellungsorientiertes Qualitätsmanagement in Berufungsverfahren" ab, der sowohl rechtliche Regelungen als auch die Verfahrenspraxis integriert und entwickeln einen Leitfaden, der Verbesserungsvorschläge für jede einzelne Stufe in den Verfahren und für alle Beteiligte bereithält.

Hierin liegt die eigentliche Krux des Buches: Das oft praktizierte Patronagesystem gilt es mittels Transparenz aufzulösen, denn bislang führte dieses Verfahren zum konsequenten Ausschluss von Frauen aus Forschung und Lehre. Aber: In seltenen Fällen verhilft genau dieses networking Frauen zu ihren Positionen. Ist dies der Fall, wird Patronage positiv bewertet. Die Autorinnen sind sich dieser Ambiguität bewusst und benennen auch entsprechend korrekt die Schwierigkeit, hier eine abschließende Bewertung vorzunehmen.

Methodisch überzeugt die qualitative Studie zur Untersuchung der einzelnen Schritte im Berufungsverfahren, geht es doch darum, die unterschiedlichen und subjektiven Wahrnehmungen aller Beteiligten aufzunehmen. Mancher Leser mag die Länge des präsentierten Interviewmaterials von 179 Seiten etwas stören. Aber auch wenn das Ergebnis der strukturellen Benachteiligung von Frauen in Berufungsverfahren bereits vor der Studie feststand, wird der entwickelte Leitfaden erst durch die qualitativen Interviews legitimiert.

Das Buch beinhaltet ein überaus bemerkenswertes wissenschaftspolitisches Statement, es tut dies ohne polemische Seitenhiebe in die Nacken männlicher Kollegen kund und kommt ohne platte Rhetorik aus.

Deshalb gehört es auf den Schreibtisch einers jeden Wissenschaftlers, der eine Hochschulkarriere plant. Ebenso sollten sich alle Professorinnen und Professoren, die bereits in Berufungskommissionen engagiert sind oder vielleicht irgendwann sein werden, sich dieses Buch zu Gemüte führen. Hochschulleitungen sollte der Leitfaden zur Pflicht werden.

Trotz aller hinlänglich bekannten Kritikpunkte an der Quote werden wir ohne eine solche nicht auskommen, wenn mehr Frauen auf Lehrstühle berufen werden sollen. Hoffen wir also, dass der wissenschaftspolitische Wind sich dreht und die Relevanz der Transparenz von Berufungsverfahren nicht nur von denen erkannt wird, die bislang durch die Maschen des deutschen Hochschulsystems hindurch fallen.


Titelbild

Christine Färber / Ulrike Spangenberg: Wie werden Professuren besetzt? Chancengleichheit in Berufungsverfahren.
Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2008.
398 Seiten, 34,90 EUR.
ISBN-13: 9783593385846

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