Wille zur Drastik

Über Yiftach Ashkenazys Erzählband "Mein erster Krieg"

Von Thomas BlumRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Blum

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sei es nun die Generation der Alten - oft Überlebende des Holocausts - sei es die Generation der Jungen: die Figuren in dem neuen Geschichtenzyklus des jungen israelischen Erzählers sind allesamt auf je verschiedene Weise traumatisiert. Und nicht wenige sind infolge der seelischen Verletzungen, unter denen sie leiden, zumindest zu sonderlichen, kauzigen oder psychisch derangierten Subjekten mutiert.

Das Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern, zwischen Paaren oder Freunden ist jeweils von Lebenslügen, gegenseitiger Entfremdung und scheiternder Kommunikation gekennzeichnet oder anderweitig gestört oder zerrüttet.

Die allgegenwärtige und sich fortwährend in den gewöhnlichen Alltag einnistende Gewalt in der Gesellschaft und das, was sie aus den Menschen macht, ist das Thema von Yiftach Ashkenazys Erzählungen: Krankheit, Tod, Verstümmelung, Vergewaltigungen, Suizide, von derlei Phänomenen und Ereignissen reiht sich eins ans andere. Liebe und Sexualität existieren nur als groteskes Zerrbild ihrer selbst, und die Religion ist kein Halt, sondern ein sinnleeres Ritual. Mütter sind "aufgedunsen von Fett und mütterlicher Befriedigung", Väter sind "kahlköpfig und schwitzend", alte Männer furzen und "versabbern Speichel auf den Polstern".

Was nun aber dem Autor im Hinblick auf seine Darstellung eines trostfernen gesellschaftlichen Panoramas, in dem unglückliche, erloschene Figuren einander belügen, betrügen und verletzen, zu gelingen scheint, gerät ihm nicht selten sprachlich und stilistisch gänzlich außer Kontrolle. Zuweilen mündet sein Wille zur Drastik in einen prätentiösen, überambitionierten und mit der Trivialliteratur entlehnten Bildern überladenen Pulp-Stil, der die Lektüre erheblich trübt: "Es schien, als kröche schwarzes, fettes Gewürm des Todes über die Flecken." "Seine Knochen fiebern mit sterbender Glut." "Mein Körper atmet seine Lenden." Oder völlig kryptisch: "Die Autos schälten den Schlaf wie Spinnweben von den Straßen und den Bäumen."

Ein Urteil darüber, ob die ärgerlicherweise über das gesamte Buch verteilten, zahlreichen sprachlichen Patzer und Ungenauigkeiten einer mangelhaften Übersetzung, einem achtlosen Lektorat oder einem schludrigen Autor zuzuschreiben sind, sei dahingestellt. Fest steht hingegen, dass man von einem fragwürdigen Stil sprechen kann oder es zumindest mit unfreiwilliger Komik zugeht, wenn von einem Mann gesagt wird, seine Haare seien "fast bröselnd", wenn es heißt, eine Frau sei "mit Samen gepolstert", nachdem sie vergewaltigt worden ist, oder wenn die Erzählerin nach dem Beischlaf mit einem Mann meint, sie "spüre den Samen" in ihre "Eileiter klettern wie eine blöde Ritterarmee". Und was ist eigentlich gemeint, wenn ein Auto "mit einem schützenden Staubsturmwirbel gepudert" ist?


Titelbild

Yiftach Ashkenazy: Mein erster Krieg. Erzählungen.
Übersetzt aus dem Hebräischen von Barbara Linner.
Luchterhand Literaturverlag, München 2008.
176 Seiten, 7,00 EUR.
ISBN-13: 9783630621067

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