Master and servant

Joachim Zeller unterzieht koloniale Reklamesammelbilder einer kritischen Betrachtung

Von Susan MahmodyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Susan Mahmody

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Reklamesammelbilder erfreuten sich im späten 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert weltweit größter Beliebtheit bei Jung und Alt. Sie sollten potentielle Kunden auf neue Produkte aufmerksam machen beziehungsweise den Wert und Nutzen bereits bestehender Artikel unterstreichen und somit den Verkauf ankurbeln. Dabei wurde nicht selten auf 'exotische' Sujets und koloniale Motive in Anspielung auf die eroberten Gebiete diverser europäischer Staaten zurückgegriffen, um die Werbebildchen interessanter, bunter und lebendiger zu machen. So tummelten sich Eingeborene im Lendenschurz beim Stammestanz neben leicht bekleideten Südseeschönheiten und als naturverbunden dargestellten Afrikanern ebenso auf den Reklamesammelbildern wie Inszenierungen des weißen Mannes als "Herrengestalt", Kolonialheld und Erretter der kolonialen Gebiete aus dem Status der Unzivilisiertheit und Barbarei. Sich vielfach auf Stereotype und Klischees stützend, die innerhalb des zeitgenössischen Diskurses über den "Fremden" allgegenwärtig waren, trugen diese Bilder dazu bei, bestehende Vorurteile zu festigen und teilweise auch neue zu kreieren. Diesen kolonialen Reklamesammelbildern und den ihnen inhärenten Wertungen widmet sich Joachim Zeller in seinem Bild-Text-Band "Bilderschule der Herrenmenschen. Koloniale Reklamesammelbilder".

Der Autor stützt sich dabei größtenteils auf die reichhaltige Sammlung des Privatiers Willi Goffart sowie auf vereinzelte Exemplare aus dem Besitz anderer privater Sammler. Untersucht werden sollte, wie die jahrhundertelange Kolonialherrschaft der Europäer über Gebiete in Afrika, Südamerika und Asien in Bildern dargestellt wurde. Besonders deutschsprachige Reklamesammelbilder, die in den Jahrzehnten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg in Umlauf waren, stehen im Fokus des Interesses. Zeller unterteilt den großen Korpus an zusammengetragenen Bildern in elf Themenkomplexe und bespricht koloniale Manifestationen aus allen in Kolonialismus und Imperialismus involvierten europäischen Nationen. Durch Zellers Analyse wird deutlich, dass sich die Darstellungen des "Fremden" sowie der kolonialen Aktivität in all diesen Ländern grundlegend ähnlich sind. Die (sofern im Original in Farbe gehalten) durchwegs farbigen Abbildungen - und dafür ist dem Autor zu danken, denn so bleibt die Authentizität der Bilder erhalten - sind jeweils mit reichhaltigen Informationen wie Titel beziehungsweise Name des Bildes, Herkunft, Zeitangabe, Erklärung des Motivs und Abdruck der Textinschriften versehen. Außerdem führt Zeller sehr viele zusätzliche Erklärungen an und versorgt seine Leserschaft mit detaillierten Hintergrundinformationen zu relevanten historischen, politischen und soziokulturellen Gegebenheiten, wodurch eine ausführliche kritische Kommentierung der Bilder gewährleistet ist. Auf diese Weise vermag es der Autor, eine Art "Richtigstellung" der größtenteils beinahe idyllisch anmutenden Darstellungen vorzunehmen und deren wahren Charakter zu entlarven.

Joachim Zeller gelingt es eindrucksvoll zu beweisen, dass die kolonialen Reklamesammelbilder keineswegs aus Naivität heraus entstanden und somit als neutral und politisch und ideologisch harmlos gelten können. Aus seinen Ausführungen wird deutlich, dass hinter den exotistischen, stereotypisierenden, diskriminierenden und zum Teil offenkundig rassistischen bildlichen Darstellungen und dazugehörigen Texten sehr wohl politisch-ideologisches Kalkül stand. Immerhin transportierten diese Bilder ein zutiefst eurozentrisches Weltbild, das keinerlei Kritik an Kolonialismus und Imperialismus zuließ, wie dies zum Beispiel in den ungefähr zur gleichen Zeit beliebten Kolonialkarikaturen der Fall war. Erst als sich nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr Kolonialmächte aus den einstmals von ihnen unterworfenen und beherrschten Gebieten zurückzogen, setzte auch in Bezug auf die Motive der Reklamesammelbilder ein Wandel ein. Wichtig zu betonen ist auch, dass die Sammelbilder nicht nur durch das, was sie zeigten, aktiv am kolonialen Diskurs teilnahmen, sondern auch durch das, was sie nicht zeigten, sprich die negativen Seiten des Kolonialismus, geprägt von Rassismus, Unterdrückung, Gewalt, Demütigung und Ausbeutung. Zeller zeigt überdies auf, dass die kolonialen Reklamesammelbilder in großem Maße zur Legitimation der Kolonisierung der nicht-westlichen Welt beigetragen haben, indem sie einerseits an den nationalen Stolz der europäischen Völker appellierten und andererseits zu beweisen versuchten, dass der "Fremde" minderwertig, rückständig und unzivilisiert sei und der dringenden Hilfe der weißen Kolonialherren bedürfe, um aus dieser Misere hinaus zu kommen. Durch ihre enorme Beliebtheit und weitläufige Verbreitung innerhalb aller Altersstufen und Schichten der Gesellschaft - es gab unter anderem eigens für Kinder konzipierte Kolonialsammelbilder - erreichten die Reklamebilder eine breite Masse, die durch die ihr unterbreitete Werbung auf sanftem Wege in Richtung Akzeptanz und Legitimation der kolonialen Machenschaften ihrer Nationen manipuliert wurde. In seinen Ausführungen hält sich der Autor an die innerhalb der postcolonial studies gebräuchliche Terminologie, allerdings ist das Buch auch für Leser und Leserinnen, die auf diesem Gebiet weniger bewandert sind, sehr gut verständlich und nachvollziehbar, da Zeller die Fachbegriffe aus der postkolonialen Theorie nicht unerklärt lässt.


Titelbild

Joachim Zeller: Bilderschule der Herrenmenschen. Koloniale Reklamesammelbilder.
Ch. Links Verlag, Berlin 2008.
255 Seiten, 39,90 EUR.
ISBN-13: 9783861534990

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