Von den halbwegs glorreichen Fünf

Ross Thomas' Roman "Am Rande der Welt" ist eine vergnügliche Politstory

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ja, so geht es in der internationalen Politik zu. Keiner kann dem anderen trauen, die verschiedenen, teilweise kriminellen Interessen überkreuzen sich mehrfach, jeder Protagonist gehört woanders hin und ist vor allem daran interessiert, die anderen aus dem Feld zu stechen, niemand kann sich sicher sein, ob er nicht im nächsten Moment im Knast sitzt oder tot ist, und das alles nur wegen der beiden uralten beiden Währungen, die unter den Begriffen Macht und Geld gehandelt werden.

Kein Zweifel, der Thriller und der Spionageroman haben jahrzehntelang von solchen Plots gelebt, und das nicht schlecht - auch was die Leser betrifft, haben die sich doch dabei häufig köstlich amüsiert oder wahlweise gegruselt.

Nun ist den Autoren in den letzten beiden Jahrzehnten der alte Ost-West-Konflikt ein wenig abhanden gekommen, weshalb denn auch andere Konfliktzonen und Schurkenregimes ausfindig gemacht werden mussten, die das alte Muster ausfüllen und unser Weltbild bedienen konnten. Die Randzone rückt also ins Zentrum des Thrillerinteresses.

Ross Thomas hat nun in dem bereits 1986 erstmals erschienenen "Am Rand der Welt" eine solche Szenerie gefunden, was es allein schon rechtfertigt, dass der Alexander Verlag die 1987 erschienene deutsche Ausgabe neu präsentiert.

Hinzu kommt selbstverständlich, dass Ross Thomas zweifelsohne außergewöhnlich gute Krimis schreibt. Schnell, auf den Punkt, hier mit einem einigermaßen komplexen Plot, der viele überraschende Wendungen hat, Gewinner und Verlierer immer neu verteilt, eine Geschichte, die immer im Vagen lässt, ob wir als Leser wirklich auf der Höhe der Figuren sind.

Solche Geschichten sind nicht einfach zu organisieren, und weniger gute Autoren scheitern auch regelmäßig daran. Sie machen zuviel, verlieren den Überblick, haben kein Auge für die ausreichende Balance der Elemente und für gelungene Motive, schmieren zusammen, was am Ende nicht mehr wirklich zusammenfinden will, und dergleichen mehr.

Nicht so Ross Thomas: Sein "Rand der Welt" ist stimmig. Und das ist das Beste, was man über einen Krimi oder genauer Thriller sagen kann. Fünf Hauptfiguren haben wir hier, die sich gemeinsam auf den Weg machen, um einen 5-Millionen-Dollar-Deal durchzuziehen. Das ist viel Geld, genug, dass jeder der Beteiligten auf dumme Gedanken kommen kann - und kommt, was allen fünfen klar ist. An das Gute im Menschen zu glauben, ist etwas für Idealisten und Leute mit genügend Geld.

Der Terrorexperte Booth Stallings wird von seinem alten Arbeitergeber freigestellt, und bekommt flugs gleich einen neuen Auftrag: Er soll nämlich einen philippinischen Widerstandskämpfer dazu überreden, aufzugeben und nach Japan ins Exil zu gehen. Dafür soll der Widerstandskämpfer 5 Million Dollar erhalten und Stallings eine halbe Million.

Stallings wird nun deshalb gefragt, weil er - einige Jahrzehnte zuvor - mit eben diesem Philippino in einer antijapanischen Terroreinheit gekämpft hat. Die beiden kennen sich also gut.

Das hindert Stallings jedoch nicht daran, selbst auf die 5 Millionen scharf zu sein und seinen alten Kampfgefährten hintergehen zu wollen. Allerdings gibt ihm sein Auftraggeber eine Aufseherin mit, Georgia Blue, die aufpassen soll, dass alles so abläuft wie gewünscht. Stallings selbst sucht sich noch drei weitere Kombattanten, Maurice "Otherguy" Overby, Artie Wu und Quincy Durant.

Das Dreamteam ist also beisammen und sich schnell einig, dass für jeden eine Million besser ist, als ein auch nur ansehnliches Honorar. Der Betrug kann also starten, zumal die Herkunft der 5 Millionen rätselhaft ist und "sicherlich" keine wirklich seriöse Quelle dahinter steckt.

Die Reise nach Fernost kann beginnen, natürlich mitten hinein in das Getümmel, das nach dem Abtreten des alten Diktators Ferdinand Marcos die Philippinen bestimmt. Geheimdienste, Widerstandstruppen, Söldner, Polizei, internationale Geheimdienste und die verschiedenen Interessengruppen und Eliten des Landes selbst treten auf, um ihre Interessen zu verteidigen und durchzusetzen, um an die Macht zu kommen oder sie behalten zu können, um ein Regime zu stürzen oder auch zu etablieren, um den Kampf endlich aufgeben oder ihn weiterführen zu können.

In einem solchen Gewirr widerstreitender Akteure und sich überschneidender Aktionen ist eine stringente kleine Geschichte kaum zu erzählen, so dass Ross Thomas auf eine komplexe, einigermaßen große Geschichte verfällt. Ob allerdings Politik, auch in einem Land und in einer Situation wie der der Philippinen 1986, so funktioniert, wie es Ross Thomas schildert, muss dahingestellt bleiben. Denn auch wenn es sich bei "Am Rand der Welt" um einen Politthriller handelt, über die Wahrheit von Politik sagt er uns gar nichts, nur über Bilder von politischem Handeln am Rand unserer Welt.


Titelbild

Ross Thomas: Am Rand der Welt. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Jürgen Behrens.
Alexander Verlag, Berlin 2008.
406 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-13: 9783895811906

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch