Geiers Mahlzeit

Bernhard Jaumann seziert den "Ich"-Begriff und stellt fest: Niemand ist unersetzlich

Von Pepe DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Pepe Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was ist das Ich? Ein Begriff, den wir im Alltagsgebrauch eher inflationär gebrauchen. Sicher ist, dass das "Ich" kein konstantes "Gebilde" ist. Es unterliegt dynamischen Prozessen. Doch können wir unser Ich auch verlieren? Einer von Bernhard Jaumanns Protagonisten sinniert, dass man "zu leichtfertig mit diesem Begriff umgeht. So, als ob er ein Gut bezeichne, das man mit der Geburt überreicht bekam und sein ganzes Leben lang behalten würde. Nichts falscher als das." Nach den Ereignissen, die die beiden Hauptfiguren zu diesem Zeitpunkt schon durchleiden mussten, stellt eine solche Erkenntnis nur die unweigerliche Folge eines Martyriums dar - sowohl des Geistes als auch des Körpers.

Der eine ein Kontrollfreak, der die Sicherheit seines Büros schätzt und der Möglichkeit einer unvorhergesehenen Wendung in seinem Leben von je her mit Misstrauen begegnete. Der andere ein selbstverliebter Macher-Typ, der hemdsärmelig über sein kleines Reich herrscht und es stets besser weiß, als seine Untergebenen.

Wo sich beide begegnen, knallen kleinbürgerliche Familienattitude und aristokratisches Herrschaftsgebaren aufeinander. Jaumann zeichnet im kurzen Verlauf der Geschichte einen hervorragenden Spannungsbogen und weiß den Leser ein ums andere Mal geschickt auf falsche Fährten zu führen - bis er ihn endlich ratlos zwischen Verwirrung und Ahnung zurücklässt.

"Geiers Mahlzeit" ist ein postmodernes kleines Stück Krimikunst, gewiss nicht ohne Raffinesse, aber auch kein Meisterwerk. Eben ein Stückchen Spannung für Zwischendurch. Schnell schmeckt man den salzigen Sand des afrikanischen Schauplatzes und fragt sich immer wieder, auf wessen Seite man insgeheim gerade steht - eben wem man gerade geneigt ist zu glauben. Dem sensiblen Denker, der nun doch einmal den Mut aufbrachte, ins Ungewisse vorzustoßen, oder dem kernigen Jäger, der sein hart erarbeitetes Territorium gegen jeden Eindringling verteidigt.

Sie heißen beide Walter Rogner. Sie sind ein und dieselbe Person. Und bis vor einigen Tagen wussten sie nichts voneinander.


Titelbild

Bernhard Jaumann: Geiers Mahlzeit. Krimi.
Edition Nautilus, Hamburg 2007.
62 Seiten, 4,90 EUR.
ISBN-13: 9783894015671

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