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Das "Foucault-Handbuch" bringt Ordnung in die Diskurse

Von Patrick BaumRSS-Newsfeed neuer Artikel von Patrick Baum

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In der Handbuch-Reihe des Stuttgarter Metzler-Verlags werden das Leben, das Werk und die Rezeption wirkmächtiger Autoren aus der Literatur, der Philosophie und anderen Geisteswissenschaften überblicksartig dargestellt. Solche wirkmächtigen Autoren - wie etwa Immanuel Kant, Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Sigmund Freud oder Friedrich Nietzsche - bezeichnet Michel Foucault in seinem Vortrag "Was ist ein Autor?" als "Diskursivitätsbegründer". Mit Recht kann man auch in Foucault selbst einen solchen Diskursivitätsbegründer sehen. Und so ist es nur folgerichtig, dass nunmehr im Rahmen der Metzler-Reihe auch ein "Foucault-Handbuch" vorliegt. Die Herausgeber Clemens Kammler, Rolf Parr und Ulrich Johannes Schneider, die alle zu Foucault ausgewiesen sind, legen - das sei vorausgeschickt - mit dem Handbuch eine überzeugende Gesamtdarstellung vor, für die sie eine ganze Reihe einschlägiger Autoren gewinnen konnten - unter anderem Petra Gehring, Wolfgang Detel, Siegfried Jäger und Jürgen Link.

Den drei im Untertitel genannten Aspekten (Leben, Werk und Wirkung) nimmt sich das Handbuch wie folgt an: Foucaults Biografie wird knapp auf acht Seiten zusammengefasst; angesichts des Umstandes, dass für den interessierten Leser eine ganze Reihe von ausführlichen Foucault-Biografien vorliegen, auf die im Literaturteil der biografischen Skizze verwiesen wird, ist diese Kürze gerechtfertigt. Das Werk Foucaults wird in zweierlei Hinsicht erschlossen - zum einen durch Einzeldarstellungen der von Foucault veröffentlichten Werke und Werkgruppen (darunter verstehen die Herausgeber thematische Bündelungen verstreut veröffentlichter Texte, zum Beispiel die Schriften zur Psychologie oder die Schriften zur Literatur), zum anderen durch einen lexikalischen Teil, in dem zentrale Begriffe und Konzepte (zum Beispiel Archäologie, Bio-Macht, Heterotopie, Subjekt und Wissen) erläutert werden. Die Wirkung des Foucault'schen Œuvres wird in zwei großen Abschnitten verhandelt, die einerseits die Kontexte seines Denkens beleuchten und andererseits die Rezeption in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen nachzeichnen.

In den letztgenannten Abschnitten zur Foucault-Rezeption liegt die besondere Stärke des Handbuchs; die den Werken und Begriffen gewidmeten Artikel sind zwar durchweg solide und bieten dem Leser einen konzisen Überblick des Foucaultschen Schaffens, aber es sind vor allem die Artikel, die sich mit der Nachwirkung Foucaults befassen, die das Anregungspotential und die Anschlussfähigkeit dieses Denkens dokumentieren. Das Spektrum der behandelten Disziplinen umfasst nicht nur Erwartbares, wie die Philosophie, die Geschichtswissenschaft oder die Literaturwissenschaft, sondern auch die Erziehungswissenschaft, die Sportwissenschaft und die noch jungen Felder der Governmentality Studies und der Disability Studies.

Insgesamt ist das "Foucault-Handbuch" in Konzeption und Ausführung rundherum gelungen und kann jedem Foucault-Interessierten ohne Einschränkung empfohlen werden. Gleichwohl gibt es Desiderata für eine zweite Auflage: Verwunderlich ist es etwa, dass im Abschnitt zur Foucault-Rezeption der Architektur oder der Geografie keine eigenen Artikel gewidmet sind. Herausgeber Parr hat dieses kleine Manko in einem im DISS-Journal veröffentlichten Interview allerdings bereits selbst benannt, so dass anzunehmen ist, dass es in einer Neuauflage behoben wird. Noch schwerer wiegt allerdings der Verzicht auf ein Sachregister, das den Gebrauchswert des Handbuchs doch etwas schmälert. Hier wäre es wünschenswert, wenn die Herausgeber bei einer Neuauflage nachbessern und den von anderen Bänden (etwa dem von Dieter Thomä herausgegebenen Heidegger-Handbuch) gesetzten Standards folgen.


Titelbild

Clemens Kammler / Rolf Parr / Ulrich Johannes Schneider (Hg.): Foucault-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2008.
454 Seiten, 49,95 EUR.
ISBN-13: 9783476021922

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