Graeca sunt, non leguntur

Die "Latinum electronicum"-CD versucht, dem Latein das Schicksal des Nicht-gelesen-werden zu ersparen

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit dem Latein ist es so eine Sache, die meisten Menschen halten es für relativ unnötig, es wird außerhalb des Vatikans kaum mehr gelesen, geschweige denn gesprochen und die meisten Universitätsstudiengänge verlangen auch keinen Nachweis des Latinums mehr - selbst promovieren darf man mittlerweile, ohne Caesars "De bello Gallico" zumindest in Ansätzen übersetzen zu können. Doch diejenigen, die behaupten, es wäre sinnlos, diese "tote" Sprache zu erlernen, da man diese in der heutigen Zeit nicht mehr nutzbringend anwenden könne, zeigen eine erstaunliche Kurzsichtigkeit ihres Verständnisses von Sprache. Der Wert einer Sprache wird nicht nur von der Anzahl der Sprecher oder ihrer fragwürdigen "Nützlichkeit" bestimmt, sondern auch von deren Bedeutung als Kulturträger und Quelle von Literatur und Wissenschaft. Und wer könnte dem Latein eine solche Funktion absprechen?

Unbestreitbar ist zudem der Nutzen, den das Latein als Basissprache erfüllt. Schaut man auf Tafeln und Beschriftungen in spanischer, portugiesischer oder auch rumänischer Sprache, so stellt man verblüfft fest, dass man durchaus in der Lage ist, einige Worte zu verstehen - ohne dass man eine dieser Sprache gelernt hätte. Doch nicht nur die romanischen Sprachen, auch die germanischen schöpfen einen Großteil ihres Wortschatzes aus den alten, totgesagten Quellen. Und möglicherweise hätte man durch ein konsequentes Übersetzungstraining - wie es beim Erwerb der lateinischen Sprache unerlässlich ist - auch solche Stilblüten wie "das macht Sinn" oder "nicht wirklich" als das erkannt, was sie sind - falsche Übersetzungen aus dem Englischen.

Wenn man sich nun entschlossen hat, diese Sprache zu erlernen, so kann man das entweder einigermaßen bequem in der Schule tun - oder man versucht sich an der harten Variante und belegt einen Crashkurs an der Uni, um zum Latinum zu kommen. Für beide Zielgruppen sowie zum Selbststudium gleichermaßen geeignet ist die CD-ROM "Latinum electronicum" des Berliner DeGruyter Verlages, die im Rahmen des an der Universität Basel beheimateten Projekts "Virtueller Campus Schweiz" entstanden ist und sich dort bereits in der Lehre bewährt hat. In 23 Lektionen und mehr als 400 Übungen bietet dieser umfassende interaktive Lateinkurs alles, was man zum Erlernen des Grundwissens in Grammatik und Übersetzung sowie zur Vorbereitung auf das Latinum benötigt. Die einzelnen Einheiten sind logisch aufeinander aufgebaut, auf eine kurze und verständliche Einführung in die Grammatik folgt jeweils ein vertiefender Teil mit weiteren Informationen, eingestreuten Aufgaben und Übersetzungsübungen. Zu jeder Lektion gibt es als Zugabe einen Überblicksteil, eine Vokabelliste und sogar die Möglichkeit, diese als bereits vorformatierte Karteikarten auszudrucken - ein Service, den kaum einer der üblichen Kurse bietet.

Überhaupt sucht das Angebot des "Latinum electronicum" seinesgleichen, kompakt und geschickt aufgebaut bietet diese ungemein übersichtliche CD-ROM alles, was man sich von einem interaktiven Sprachkurs erwartet. Man wird nicht nur in die Grammatik - die man zum Nachlesen inklusive aller Konjugations- und Deklinationstabellen auch ausdrucken kann - und anhand zahlreicher, ebenfalls druckbarer Textbeispiele in die Übersetzungstechnik eingeführt. Der Kurs bietet darüber hinaus ein Glossar mit kulturellen und historischen Hintergründen zu den wichtigsten Themen, die angesprochen werden. Einige der Übersetzungstexte kann man sich sogar anhören, um ein Gespür für Aussprache und Metrik der lateinischen Sprache zu bekommen. Die Bedienung gestaltet sich dabei intuitiv und einfach, integrierte Suchfunktionen erleichtern eine Orientierung zusätzlich - kein langes Herumsuchen nach Inhalten oder Informationen, keine umständliche Menüstruktur stören den Benutzer. Lauffähig ist das Programm sowohl auf einem Windows-PC (Win 2000, XP oder Vista) als auch auf dem Apple Macintosh (ab MacOS X), die Systemanforderungen gestalten sich also angenehm gering, so dass man selbst noch mit einem betagten Rechner arbeiten kann. Ein Adobe Flash-Player ist integriert, so dass keine zusätzliche Software installiert werden muss, nur ein Acrobat Reader beziehungsweise ein anderes Programm zur Anzeige der pdf-Dokumente sollte vorhanden sein. Diese Autonomie hat aber auch ihre Nachteile: die CD muss die ganze Zeit über im Laufwerk bleiben und dieses ist ständig in Betrieb, was den Geräuschpegel am Arbeitsplatz nicht gerade senkt, falls man einen leisen Rechner verwendet. Doch dies ist nur ein winziger Wehmutstropfen, der den positiven Gesamteindruck des Ganzen nur unwesentlich trübt, zumal man den Kurs zu einem konkurrenzlos günstigen Preis bekommt. So ist das "Latinum electronicum" ein unentbehrliches Hilfsmittel für jeden, der sich mit dem Latein beschäftigen möchte, ob zur Vorbereitung auf das Latinum oder zum persönlichen Vergnügen.


Titelbild

Rudolf Wachter / Simone Hiltscher / Irene Burch (Hg.): Latinum electronicum. CD-Rom.
De Gruyter, Berlin 2008.
29,95 EUR.
ISBN-13: 9783110184341

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