Als die Buddhas griechische Gewänder trugen

Kunst und Kultur in der Gandhara-Zeit: eine Bonner Ausstellung

Von Ludger LütkehausRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ludger Lütkehaus

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als im März 2001, ein halbes Jahr vor dem Terrorangriff auf das World-Trade-Center, islamistische Fundamentalisten die beiden monumentalen Buddha-Skulpturen von Bamiyan im östlichen Afghanistan zerstörten, da ging es nicht nur um eine brutale bilderstürmerische Attacke. Mit den Buddha-Skulpturen sollte auch jene undogmatisch-tolerante kosmopolitische Mischkultur, die erste Weltkultur im eminenten Sinn, getroffen werden, die nach der Landschaft um die Stadt Peshawar im nordwestlichen Pakistan benannt ist und im östlichen Afghanistan die "Gandhara-Kultur" heißt.

Etwa vom ersten bis zum fünften nachchristlichen Jahrhundert hat ihre Blütezeit gedauert. Griechische und römische Einflüsse verbanden sich in ihr mit einem sich wandelnden Buddhismus und dem hinduistischen Erbe. Der Indien-Zug Alexanders des Großen, das Diadochen-Reich der Seleukiden, dann die Reiche der Mauryas und der Kushanas haben ihren Grund gelegt. Dass in der Gandhara-Kunst die Buddhas griechisch-römische Gewänder trugen und sich mit allen anderen Göttern vertrugen, war die frohe universalistische Botschaft.

Daran erinnert jetzt eine sehenswerte große Ausstellung zum "buddhistischen Erbe Pakistans" (und Afghanistans) mit dem etwas zu sehr forcierten Untertitel "Legenden, Klöster und Paradiese", die jetzt unter der Schirmherrschaft der UNESCO in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zu besichtigen ist. Danach wird sie vom 9. April bis 16. August 2009 im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen sein, bevor sie zum Herbst 2009 ins Zürcher Rietberg-Museum geht.

Man kann die Ausstellung, die der großzügigen Zusammenarbeit pakistanischer und afghanischer Museen und Behörden mit den deutschen und schweizerischen zu danken ist, auch als kulturelle Antwort auf den ikonoklastischen Akt von Bamiyan verstehen. Wirksamer als mit Waffengewalt am Hindukusch wird westliche Kultur mit einem solchen Brückenschlag verteidigt. Es stimmt halbwegs versöhnlich, dass während der Aufräumungsarbeiten die Weihereliquie eines der beiden Buddhas von Bamiyan aufgefunden worden ist und jetzt zum ersten Mal öffentlich gezeigt werden kann.

Die Ausstellung zeichnet die Entwicklung der Gandhara-Kunst und -Kultur nach und bettet sie in ihren historischen Kontext ein. Mit ihren mehr als 300 Exponaten beeindruckt sie durch Fülle und Schönheit, historische, zumal religionswissenschaftliche Informiertheit und ein exzellentes Darstellungskonzept. Am Anfang steht ein veritabler Kontrapunkt zu dem Geist von Gandhara: eine Großkopie des - leider nicht transportablen - berühmten Alexander-Mosaiks aus Pompeji, das den Moment zeigt, in dem sich der persische Großkönig Dareios III. vor der geballten kriegerischen Kraft Alexanders zur Flucht wendet.

Im weiteren geht es dagegen um so friedlicher zu. Der Weg des Besuchers, der nach buddhistischer Sitte im Uhrzeigersinn von links nach rechts zurückgelegt wird, ist in der Form eines klösterlich-meditativen Stupa-Umgangs angelegt, also als Umwandelung jener Rundform buddhistischer Sakralarchitektur, die als Grabmal und Reliquiar dient und zur wichtigsten buddhistischen Architekturform geworden ist: Symbol der Erkenntnis. Der äußere Umgang zeichnet mit den ersten personifizierten Buddha-Skulpturen überhaupt die Entwicklung von der historischen, freilich auch da schon legendarisch gedeuteten Gestalt des Buddha Shakyamuni zu einer überirdischen Heilsfigur im Reigen aller vergangenen und künftigen Buddhas nach. Aus der Figur eines "vollständig erwachten" Lehrers, der mit seinen vier Ausfahrten, seiner Asketen-Zeit, dem Erwachen unter dem Bodhi-Baum, der ersten Predigt von Benares, schließlich dem Eingehen ins Nirwana den Weg zur Überwindung des Leidens zeigt, wird der Gott. Mit der Entstehung eines buddhistischen Pantheons setzt sich das hinduistische Erbe der Vielgötterei durch. Höchst eindrucksvoll aber neben etlichen Reliefs das "Buddha-Feld" der Stele von Mohammed Nari aus dem vierten Jahrhundert (Kat. Nr. 204), die den lehrenden Buddha auf der Lotosblüte zur Zentralfigur eines "Buddha-Paradieses" macht.

Der innere Kreis konzentriert sich auf den historischen Buddha Shakyamuni. Einzigartig der Gandhara-Buddha im graeco-buddhistischen Stil des 2./3. Jahrhunderts nach unserer Zeitrechnung als Mönch mit der Bettelschale (Kat. Nr. 133). Im Gegensatz zur Mathura-Kunst, die das Herrscherbild betont, zeigen die Buddhas von Gandhara, zunächst jedenfalls, zwar eine hoheitsvolle, aber keine göttlich überwältigende Gestalt.

Das ändert sich mit den Kolossal-Buddhas von Bamiyan um das Jahr 600. Es trifft den Besucher wie ein Schlag, wenn er sich kurz vor dem Ausgang unvermittelt der riesigen Projektion eines der beiden Buddhas gegenübersieht, während gleichzeitig nebenan in einem 3D-Studio eine virtuelle Rekonstruktion der zerstörten Skulpturen gezeigt wird. Vor Ort war die Perspektive noch anders, als die Buddha-Figuren aus jener Distanz betrachtet werden konnten, die das Zentrum der buddhistischen Achtsamkeitsmeditation ist. Bis das wieder die womöglich restaurierten Buddhas von Bamiyan möglich machen, findet man in Bonn immerhin eine Art von Ersatz.


Titelbild

Gandhara. Das buddhistische Erbe Pakistans. Legenden, Klöster und Paradiese.
Verlag Philipp von Zabern, Mainz 2008.
384 Seiten, 44,90 EUR.
ISBN-13: 9783805339162

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