Die Entstehung der Frauenrechte

Tanja-Carina Riedels grundlegendes Werk über die Rolle der Frauenbewegung bei der Genese des Bürgerlichen Gesetzbuches

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die heutige rechtliche Stellung der Frauen habe ihren Ursprung in der Pionierarbeit der bürgerlichen Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts, meint die Juristin Tanja-Carina Riedel in ihrer Dissertation. Da kann sie sich breiter Zustimmung gewiss sein. Doch kaum jemand dürfte sich bislang so intensiv mit den Einwirkungen der frühen Frauenbewegung auf die Entstehung des für das geltende Zivilrecht maßgeblichen Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befasst haben wie sie. In ihrer überaus gründlichen Untersuchung "Gleiche Rechte für Frauen und Männer" geht sie auf 547 Seiten eben der Frauenrechtspolitik der Feministinnen des 19. Jahrhunderts nach und gelangt zu dem Fazit, dass "alle Richtungen der Frauenbewegung" einen "wichtigen Beitrag dazu geleistet haben, der Frau ihre heutige Stellung als vollwertig anerkannte Rechtspersönlichkeit zu verschaffen."

Riedel verfolgt in einer "bewusst streng chronologischen Darstellungsweise" den "keineswegs geraden Weg" der bürgerlichen Frauenbewegung "von einer Interessengemeinschaft für allgemeine Fraueninteressen", die sich insbesondere mit "Bildungs- und Erwerbsfragen" befasste, hin zu einer "Rechtsbewegung, die für die Verbesserung der Rechtsstellung der Frau eintritt". Die zahlreichen, oft längeren Zitate aus dem Quellenmaterial gewähren einen "authentischen Blick" nicht nur auf die juristischen Argumente in der Kontroverse um die rechtliche Stellung der Frau im Bürgerlichen Gesetzbuch, sondern auch auf die Differenzen innerhalb der Bewegung und die Auseinandersetzungen mit antifeministischen GegnerInnen. Darüber hinaus stellt die Autorin die tragenden Persönlichkeiten der Frauenbewegung, ihre männlichen Mitstreiter und ihre GegnerInnen in kürzeren Kapiteln vor. Einige der Namen dürften den wenigsten LeserInnen schon einmal zu Ohren beziehungsweise vor Augen gekommen sein. Wer hat etwa schon etwas von Marie Raschke und Sera Proelß gehört, oder von Emilie Kempin, der ersten promovierten Juristin in Europa?

Dass Hedwig Dohm heute "vor allem" als Großmutter von Katharina Mann, der späteren Ehefrau Thomas Manns bekannt sein soll, wollen wir allerdings nicht hoffen. Und es ist auch nicht sehr wahrscheinlich. Menschen, die Dohm nur als weitläufige Verwandte des Literaturnobelpreisträgers kennen, seien allerdings deren unlängst erschienene "Ausgewählte Texte" zur Lektüre empfohlen. Ein kleiner Irrtum, vielleicht auch nur ein Tippfehler ist Riedel beim Titel eines von Dohms Büchern unterlaufen. "Die Antifeministen" lautet er, nicht "Die Antifeministin". Davon abgesehen hatte natürlich auch Dohms Zeit ihre Eva Herman. Die hieß damals Sophie von Hardenberg. Es sei "hohe Zeit" zitiert Riedel aus von Hardenbergs Schrift "Zur Frauenfrage", "dass die deutsche Frau und Mutter in ihr altes Recht gesetzt werde, und dass das helle Tageslicht die Spukgestalten von Frauenemancipation verjage, dass an die Verkümmerung des weiblichen Geschlechts ein Ziel gesetzt werde."

Riedels Untersuchung setzt zur Zeit der Niederlage der revolutionären Bestrebungen 1848 ein. Im Folgejahr wurde von der Urmutter der deutschen Frauenbewegung Louise Otto die "Frauenzeitung" gegründet. Welchen Widerständen sie und ihre Mitstreiterinnen zu Beginn der sich seinerzeit wohl noch gar nicht als solche verstehenden Frauenbewegung ausgesetzt waren, verdeutlicht das auf ihre Person zielende, in Preußen und Bayern jedoch weit über ihren Tod hinaus bis 1908 gültige sogenannte "Lex Otto", das es Frauen verbot, als leitende Redakteurinnen tätig zu sein. Doch war dies keineswegs die einzige einschränkende Maßregelung, die sich gegen die ersten weiblichen Emanzipationsbestrebungen richteten. So besagte der Paragraf 8 des preußischen Vereinsgesetzes vom 11.3.1850, dass "Vereine, welche bezwecken, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern" keine Frauen aufnehmen durften.

Erst 15 Jahre später, am 16.10.1865, gründete sich mit dem "Allgemeinen Deutschen Frauenverein" (ADF) eine Art Dachverband für die bis dato lediglich auf lokaler Ebene agierenden Frauenorganisationen. Zurecht macht Riedel in diesem Datum die "Geburtsstunde der deutschen organisierten Frauenbewegung" aus. Angeregt wurde die Gründung allerdings nicht etwa von Louise Otto-Peters (wie Louise Otto inzwischen hieß) und anderen Frauenrechtlerinnen, sondern von einem Mann namens Anton Korn, der sich jedoch bald mit den Frauen zerstritt, da diese ihre eigenen Köpfe hatten und durchaus nicht gewillt waren, seinen Vorstellungen zu folgen.

In den ersten Jahren nach der Gründung des Dachverbandes galt es zunächst einmal, sich der "gesetzlichen Beschränkungen, denen Frauen unterliegen", bewusst zu werden und entsprechende Verbesserungen zu fordern. Im Herbst 1869 fand in Kassel die 3. Generalversammlung statt, auf der zwei - wie es seinerzeit nicht anders sein konnte - männliche Universitätsprofessoren die - wie es ebenfalls nicht anders sein konnte - in juristischen Fragen unerfahrenen Frauen über verschiedene gesetzlich verankerte Benachteiligungen des weiblichen Geschlechts informierten. Bereits wenige Monate später sandte der ADF eine Petition an die sächsische Ständeversammlung, in der er erstmals eine "konkret umschriebene Gesetzesänderung" forderte. Es handelte sich nur um ein einziges Wort, das ihnen missfiel. Im Paragraphen 13 des sächsischen Pressegesetzes sollte aus dem Passus "Die verantwortliche Redaktion von Zeitschriften dürfen [...] männliche Personen führen [...]" das Wort "männliche" gestrichen werden.

Die Notwendigkeit, sich von zwei sympathisierenden Männern informieren lassen zu müssen, gründet darin, dass Frauen weder zum juristischen, noch zu einem anderen Studium zugelassen waren. Daraus leitet Riedel plausibel ab, warum sich die erste Frauenbewegung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weit mehr auf die Bildungsfrage konzentrierte als darauf, die gesetzliche Gleichstellung einzufordern. Wie Riedel zeigt, vermag selbst der Erste Entwurf des BGB von 1888 die "langjährige passive Haltung der bürgerlichen Frauenbewegung zur Rechtsmaterie" nicht zu "durchbrechen". Erst 1895 gelang es den Frauen, eine "großangelegte Agitation" gegen das Gesetzeswerk auf die Beine zu stellen. Da hatte die Arbeit am BGB allerdings schon mehr als 20 Jahre angedauert und stand kurz vor dem Abschluss.

Riedel zeichnet die um das BGB innerhalb der jeweiligen Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung ausgetragenen Kontroversen nach, wie auch die zwischen dem gemäßigten beziehungsweise konservativen Flügel und den sich im "Verband fortschrittlicher Frauenvereine" organisierenden Radikalen. Darüber hinaus werden die Auseinandersetzungen mit den Konkurrentinnen aus der Arbeiterinnenbewegung beleuchtet, deren Führerin Clara Zetkin für eine "reinliche Scheidung" zwischen der Arbeiterinnenbewegung und der bürgerlichen Frauenbewegung plädierte. Nicht weniger ausführlich wird das Ringen mit den GegnerInnen der Frauenemanzipation dargelegt. So werden namentlich das Familienrecht betreffenden Entwürfe und Gegenentwürfe ausführlich zitiert und gegeneinander gestellt. Die Darstellung ist konzis und dabei durchaus detailfreudig, wobei der Band insbesondere durch die zahlreichen oft umfangreichen Zitate aus dem Quellenmaterial gewinnt. Dass manches reichlich trocken gerät, dürfte angesichts des juristischen Fragen und Probleme kaum zu vermeiden gewesen sein. Bahnbrechende Thesen sind hingegen weniger Riedels Sache. Das allerdings tut der Untersuchung, die geradezu dazu prädestiniert ist, zum Standardwerk zu avancieren, keinen Abbruch. Und da Standardwerke sich unter anderem dadurch auszeichnen, dass sie mehrere Auflagen erreichen, sei schon heute darauf hingewiesen, dass ein Personen- und vielleicht auch ein Sach-Register die Arbeit mit dem Band sehr erleichtern würde.


Titelbild

Tanja-Carina Riedel: Gleiches Recht für Frau und Mann. Die bürgerliche Frauenbewegung und die Entstehung des BGB.
Böhlau Verlag, Köln 2008.
547 Seiten, 69,90 EUR.
ISBN-13: 9783412200800

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch