Schreiben will gelernt sein - nicht nur orthografisch

Drei Dozenten des Schreiblabors in Bielefeld bringen Teile ihrer Arbeit mit dem Buch "Schlüsselkompetenzen: Schreiben in Studium und Beruf" zu Papier

Von Anabell SchuchhardtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anabell Schuchhardt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit einigen Jahren herrscht der neue Studienabschluss "Bachelor" an Deutschlands Universitäten und sorgt für viel Kritik. Die Studenten haben nur noch wenig Zeit, um sich wie in Magisterstudiengängen selbst zu organisieren und individuell Schwerpunkte zu setzen. Stattdessen wartet ein Stundenplan wie zu Schulzeiten auf sie und jedes Semester sind Hürden von Klausuren, mündlichen Prüfungen sowie Hausarbeiten zu überwinden. Letztere dürfen dabei allerdings nicht mehr von Jahr zu Jahr verschoben werden, sondern unterliegen strikten Abgaberegelungen.

Aus den oben genannten Gründen heraus kamen Andrea Franck, Stefanie Haacke und Swantje Lahm auf die Idee, ein Buch zu schreiben, mit dem die unter Druck stehenden Studierenden lernen können, sich Freiräume zu schaffen. Vor allem bei Hausarbeiten, so die Frauen in ihrem Vorwort, müsse man lernen, sich in einem strukturierten Rahmen auf ein Thema einzulassen und kreativ zu werden. Alle drei Autorinnen lehren an Deutschlands erstem Schreiblabor in Bielefeld und setzen sich dort mit dem Thema "Schreiben" auseinander.

Die 'Lehre des Schreibens' wird deshalb von Grund auf erläutert und beginnt mit einer Schreibtypanalyse, in dem man angehalten wird, herauszufinden, ob man eine Arbeit lieber von Anfang bis Ende durchschreibt (sogenannte Top-Down-Schreiber) oder ob man erst einmal alles durcheinander zu Papier bringt, bevor man die Gedanken schließlich ordnet (Bottom-Up-Schreiber). Von der Themenfindung bis hin zum endgültigen Schreibprozess wird alles genauestens erläutert. Immer wieder werden Tipps oder Denkanstöße in Kästchen zusammengefasst und anschauliche Diagramme gezeichnet, die Gedankengänge strukturieren sollen. Hin und wieder finden sich dabei wirkliche gute Ideen, die man einfach einmal ausprobieren und sich zu Herzen nehmen sollte. Wichtig ist etwa auch der Hinweis darauf, dass es einen Unterschied zwischen Binde- (kurz) und Gedankenstrich (lang) gibt. Aber - und darauf weisen auch die Autoren hin - nicht jedes Schema ist für jeden Studenten geeignet. So individuell die Schreibtypen sind, so müsse auch jeder seinen eigenen Weg bis zum Ende einer wissenschaftlichen Arbeit finden.

"Schreiben in Studium und Beruf" erklärt die Merkmale wissenschaftlichen Arbeitens und hält zur (Selbst-)Reflexion an. Das Buch ist daher insbesondere für Studienanfänger geeignet. Denn diese sind es, die sich auf das "neue" Schreiben, das sie nach der Schule erwartet, einstellen müssen. Auf die Bachelorarbeit - oder gar höhere Textproduktionen - gehen die Bielefelder Autoren demnach nur kurz ein. Dies ist jedoch dadurch berechtigt, dass man das Buch in einem höheren Stadium des Universitätslebens nicht mehr grundlegend benötigen sollte. Wenn aber doch, dann könnte man sich fragen, ob der so verhasste Bachelorabschluss wirklich nur aufgrund seines Titels als negativ deklariert wird.

Des Weiteren ist das Buch oft - auch in der Sprache - sehr einfach gestrickt. Das ist nett zum Durchlesen, kann aber auch als störend empfunden werden, wenn jede Kleinigkeit erläutert wird, die man bereits im Deutschunterricht zu Schulzeiten gelernt haben sollte. Die Erklärungen beginnen bei Null und erwecken oft den Eindruck, als traue man dem Leser nicht einmal das Formulieren eines normalen Satzes zu.

Und auch wenn im Titel enthalten, sucht man vergebens nach spezifischen Artikeln über das Schreiben im Beruf. Die Autoren rechtfertigen dieses Weglassen mit der Begründung, dass die einzelnen Schreiber-Berufe nicht auf wenigen Seiten zu erläutern seien. Zudem ändere sich im Beruf zwar der Kontext, doch gewisse zu beachtende Regeln - wie etwa das Denken an den Adressaten - blieben gleich. Das Buch erzieht somit zur Selbstständigkeit, gibt sich aber auch manchmal als Patentrezept aus, das teils fragwürdig wirkt. "Schlüsselkompetenz" nennen es die Autoren, wenn man gelernt hat, Texte an bestimmte Aufgaben und Situationen anzupassen. Ob diese Verallgemeinerung jedoch dazu berechtigt, bereits im Buchtitel das Thema "Beruf" aufzuführen, bleibt zu hinterfragen.

Letztendlich kann der Band somit nicht allen Wünschen und Erwartungen gerecht werden, bietet aber auf jeden Fall einen sehr guten Einstieg in das Verfassen erster wissenschaftlicher Texte. Zudem erweist es sich als gutes Nachschlagewerk für die unterschiedlichsten Textarten: Neben der typischen Hausarbeit finden sich Hilfen zum Schreiben von Exposé, Mitschrift, Protokoll, Thesenpapier, Rezension, Klausur, Praktikumsbericht und einiges mehr.


Titelbild

Andrea Frank / Stefanie Haacke / Swantje Lahm: Schlüsselkompetenzen: Schreiben in Studium und Beruf.
J. B. Metzler Verlag, Stuttgart 2007.
208 Seiten, 12,95 EUR.
ISBN-13: 9783476021663

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