Grandios und ein bisschen Psycho

Über Alexa Hennig von Langes meisterlichen Roman "Peace"

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nimmt man den Buchtitel "Peace" als Metapher für eine Epoche, die ihre Paradigmen und Lebensentwürfe aus der Zeit um 1970 bezieht, kann man es treffender kaum sagen, worum es sich in dem neuen Roman von Alexa Hennig von Lange dreht. Denn zentrales Thema ist genau diese Epoche. Flower-Power und freie Liebe, Emanzipation und Selbsterfahrung sind die dominierenden Themen. Dies erfährt der Leser aber nur indirekt aus der Perspektive von Joshua, der die Eskapaden und Empfindlichkeiten seiner Mutter ertragen und erdulden muss. Diese Exaltiertheiten sind für den Jugendlichen zum alltäglichen Wahnsinn geworden. Lange lässt ihn lakonisch den Irrsinn seines Alltags beschreiben.

Der Roman beginnt mit einer Formulierung, die es durchaus auf eine Hitliste der "ersten Sätze" schaffen würde: "Am 26. Oktober 1991 sah ich meine Mutter in ihrer Kotze liegen." Die Authentizität der Sprache trägt nicht unwesentlich zu den ironischen und humorigen Seiten der Erzählung bei. Lange schafft es mit ihren "Bildern aus der Frauenbewegung" - etwa von frauenbewegten Hängegeburten in Kellerräumen - die Widersprüchlichkeiten, Absurditäten und kleinen Freiheiten so treffend zu charakterisieren, dass der Leser in der Lage ist, Bruchstücke des Geschilderten in der Gegenwart wiederzuerkennen. Dabei bleibt der Roman aber nicht eine Aneinanderreihung von Szenen und grotesken Situationen aus dem Alltag von Joshua, der mehr oder weniger seine "alltagsunfähige" Mutter "betreut", sondern wird gleichzeitig auch zu einem Roman über das Erwachsenwerden und über die Widersprüchlichkeiten, die damit einhergehen.

Nach ihrem letzten Buch "Risiko" hätte man einen so wortgewaltigen, schnellen und frischen Roman von Alexa Hennig von Lange nicht erwartet. Umso überraschender ist diese durchweg gelungene, unterhaltsame und oft zum Schmunzeln verleitende Tour d'horizon zusammen mit dem Protagonisten Joshua durch die Auswirkungen von "Love & Peace" auf die Gegenwart des Jahres 1991. Sprachlich hervorragend, erzählerisch gelungen und mit dem nötigen Humor hat Lange eine wirklich lesenswerte Zeitskizze entworfen, die einen spannenden Blick auf das Thema "Selbstverwirklichung" gestattet.


Titelbild

Alexa Hennig von Lange: Peace. Roman.
DuMont Buchverlag, Köln 2009.
222 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-13: 9783832195021

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch