Nicht nur Basiswissen, sondern auch Überbau-Kenntnisse

Zu der Einführung „Basiswissen Deutsche Phraseologie“ von Elke Donalies

Von Nils BernsteinRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nils Bernstein

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Phraseologie kann als Teildisziplin der Linguistik keineswegs mehr als Randphänomen bezeichnet werden. Zunehmend konnte sie sich etablieren und ist nunmehr gänzlich dem Status als Stiefkind der Lexikologie entwachsen. Neben drei Einführungen von Wolfgang Fleischer, Christine Palm und – bereits in der dritten Auflage erschienen – Harald Burger können Studierende und Forschende jetzt zu einem vierten, schmaleren Büchlein greifen, das versiert und pointiert in das Forschungsgebiet der Phraseologie einführt. Elke Donalies vermag darin nicht allein das Basiswissen gerafft darzulegen, sondern auch abstraktere und noch offene Fragen der Phraseologie zu erörtern.Die Phraseologie ist ein weites Feld. Daher ist es ein schwieriges Unterfangen, auf nur hundert Textseiten darzulegen, was es mit den festen Mehrwortverbindungen, die teilweise idiomatisch sind, auf sich hat. Zu den Phrasemen zählen neben Idiomen wie „das fünfte Rad am Wagen sein“ auch Formeln wie „Grüß Gott“ und „meine Damen und Herren“ sowie außerdem Kollokationen wie „sich die Zähne putzen“. Da die Phraseologie viele Überschneidungen mit der Sprichwortforschung, der Parömiologie, hat, gehören auch Geflügelte Worte wie „Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage“ und natürlich Sprichwörter wie „Morgenstund hat Gold im Mund“ zum Untersuchungsgegenstand.Trotz der zunehmenden Konsolidierung der Phraseologie, die mit der Gründung der Europäischen Gesellschaft für Phraseologie 1990 besiegelt wurde, ist man sich nicht ganz einig, wie man diese festen Wortverbindungen nennen soll. Der Begriff „Idiom“ stellt besonders die Eigenschaft der übertragenen Bedeutung, der Idiomatizität, in den Vordergrund. Die Bezeichnung als „Redewendung“ ist landläufig und allgemeinsprachlich verständlich, terminologisch jedoch ungenau. Mittlerweile sagen die einen „Phraseologismus“, die anderen dagegen „Phraseme“ in (allerdings etwas zu voreiliger) Entsprechung zu Phonemen und Morphemen, unter dem Gesichtspunkt der Systematisierung nach emischen und etischen Einheiten. Für letzteren Terminus hat sich auch Donalies entschieden, die seit fast zwei Jahrzehnten als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim tätig ist und daher breite Kenntnisse der Materie verbuchen kann. Gut übersichtlich stellt sie in einem Bereinigungsverfahren der ausufernden Nomenklatur die verschiedenen Begriffe in einer Tabelle dar, sortiert nach der jeweiligen Schwerpunktsetzung.Nur ist nicht ganz klar, an wen sich das Buch richtet. Für Studierende weist es zahlreiche Zitate aus der Forschungsdiskussion auf, die verwirrend wirken können und illustrieren, dass offenbar noch zahlreiche Fragen der Forschung ungeklärt sind. Kaum eine Seite, die nicht ohne mehrere Anführungen auskommt. Der erste Eindruck ist daher, dass Donalies trotz des geringen Umfangs etwas zu kleinschrittig verfährt, etwa wenn sie anfangs das Phänomen der Polylexikalität etwas zu ausgiebig darlegt. Für bereits eingeweihte Forschende ist diese Einführung wiederum zu knapp gehalten, die Diskussionen zu kursorisch skizziert. Diese Zielgruppe kann sich jedoch von der umfangreichen aktuellen Bibliografie inspirieren lassen, die nahezu ein Fünftel des Buches einnimmt.Neben den genannten Einschränkungen ist es ein Vorteil für Studierende, dass ihnen eine leicht lesbare, übersichtlich gestaltete Einführung geboten wird, die mit allerhand Witz in dem sonst eher trocken wirkenden Gebiet der Sprachwissenschaft aufwartet. So veranschaulicht die Autorin das breite Spektrum mit guten Beispielen von Wellerismen („Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, sagte der Ochs, als er gebraten wurde.“) oder modifizierten Anti-Sprichwörtern („Der Student geht so lange in die Mensa, bis er bricht.“). Diese Beispiele zeigen, dass Sprichwörter nicht allein Allgemeingut sind, die althergebrachte Weisheiten der Altvorderen transportieren. Vielmehr sind sie immer noch in modifizierter Form aktualisierbar, da Wendungen mit Phraseologisierungs-Potenzial auch heutzutage entstehen.Sympathischerweise erliegt die Autorin der Versuchung, im Fließtext Phraseme zu verwenden. Somit bestätigt sie den Gemeinplatz, Phraseologen bemühten sich mit Vorliebe der Wendungen ihres Forschungsgegenstandes. Sie selbst möchte sich weder „in die Nesseln setzen“ noch den „Stab brechen“ über zu häufigen Phrasemgebrauch, diesen aber durchaus gerne „aufs Tapet bringen“. Leider wird nirgends erklärt, warum einige Beispielsphraseme neben der üblichen Kursivierung auch noch rot hervorgehoben werden.Insgesamt eröffnet sich neben der angenehmen Kurzweil auch ein Einblick in die Tiefen der wenig betagten Forschungsdisziplin Phraseologie, deren Desiderate (etwa die Konjunktions- oder Präpositionsphraseme betreffend) Donalies in aller gebotenen Kürze offenzulegen weiß. 

Titelbild

Elke Donalies: Basiswissen Deutsche Phraseologie.
UTB für Wissenschaft, Stuttgart 2009.
126 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-13: 9783825231934

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